Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
seiner Vorfahren gefolgt, ohne dass ihm je Zweifel kamen. Er unterwarf sich klaglos, weil die Tradition es so erforderte. Unter anderen Umständen hätte er wahrscheinlich in eleganter Kleidung bei festlichen Anlässen in Emeris mit Bildung und Humor geglänzt, doch so wurde er gleich nach Abschluss der Akademie in den Krieg geschickt. Das Soldatenleben hatte ihn vermutlich inzwischen längst so sehr verändert, dass er sich bei künftigen Festen damit begnügen würde, an seinem Becher zu nippen und wohlmeinend den Gesprächen derjenigen zu lauschen, die keine militärische Karriere vorweisen konnten. Für junge Ritter wie ihn, die das Kriegshandwerk von Beginn an erlernt hatten und sich einer so heiklen Kunst wie der Nutzung des Odems bedienen konnten, hegte Dun großen Respekt. Ein solcher junger Mann musste einfach als Sieger aus der Schlacht hervorgehen, damit er vielleicht eines Tages das Leben seines Generals retten konnte.
Der Ritter zügelte sein Pferd und brachte es vor ihm zum Stehen. »Die Kavallerie ist bereit, Herr General. Hauptmann Azdekis Truppen haben den Vershan umrundet und warten auf Eure Befehle.«
Dun nickte. Es war so weit. »Auf mein Zeichen geht es los«, sagte er ernst.
Er wendete sein Pferd und trabte hinter die Linien der Infanterie. Es war Zeit für den Angriff. Sie warteten schon viel zu lang darauf. Der Kaiser hatte seinen General schließlich nicht hergeschickt, um ein Stück Land zu verteidigen, sondern um eine Grafschaft zurückzuerobern.
Er ritt einen Hügel hinab, auf dessen Rückseite ein Großteil der Truppen lagerte. Es waren Hunderte Ritter – Ritter, die bereit waren, ihr Kaiserreich zu verteidigen.
»Männer, es ist so weit!«, rief er und zog sein Schwert blank.
Am Rand der Ebene ging gerade ein weiterer Pfeilregen auf die Fußsoldaten nieder, als plötzlich die Erde erbebte. Das Donnern wurde lauter und kam näher. Die Offiziere handelten sofort. Befehle wurden erteilt. Kaum hatten sich die Soldaten in lange, von Lanzenträgern begrenzte Spaliere aufgestellt, als auch schon die Kavallerie herangaloppierte.
Die gegnerischen Truppen, die sich in den Wäldern am Fuß der Berge versteckten, wussten kaum etwas über das Kriegshandwerk. Einige der Männer hatten früher dem Kaiser gedient, andere waren als Söldner unterwegs gewesen, doch die Mehrzahl bestand aus einfachen Bauern und Handwerkern aus den Dörfern der Umgebung. Auch ein paar von der Idee eines Umsturzes faszinierte Bürger befanden sich unter ihnen.
Als sie das befremdliche Donnern hörten, beschleunigte sich ihr Herzschlag. Je näher die große Staubwolke vorrückte, desto ängstlicher wurden sie. Die kaiserlichen Soldaten waren auf dem Vormarsch. Sobald sie die Linien der Aufständischen durchbrochen hätten, würde die Infanterie nachrücken und jeden Verteidigungsversuch niederschlagen. Vielleicht würden einige Feiglinge ihre Waffen und ihren Stolz auf dem Schlachtfeld zurücklassen und davonlaufen, doch die meisten Männer waren bereit, am Vershan zu sterben. Schließlich kämpften sie für eine neue Weltordnung. Ihre Hände krampften sich um Lanzen, Schwerter und Keulen wie um einen letzten Halt vor dem Absturz, und ohne einen Befehl abzuwarten, stürzten sie wild durcheinander vorwärts.
Es wurde ein furchtbares Gemetzel. Azdekis Reiter griffen an. Die Aufständischen hatten nichts zu verlieren. Sie hatten eine Revolte angezettelt, wollten aber die große Revolution. Und sie kämpften mit Klauen und Zähnen. Im Stehen verteidigten sie sich, auf Knien hielten sie durch, und selbst am Boden gaben sie nicht auf. Sie hielten ihrer Sache die Treue – wenn es sein musste, bis in den Tod.
Auch Dun hatte jetzt den Wald erreicht. Sein Schwert kam nicht zur Ruhe. Sein Pferd wurde von einer Lanze getroffen und brach unter ihm zusammen. Der General fand sich am Boden wieder. Flink sprang er auf und parierte die auf ihn einprasselnden Hiebe mit der flachen Klingenseite seines Schwertes. Dann hob er die freie Hand und brachte seinen Gegner dazu, zurückzuweichen. Dabei berührte er ihn nicht.
Wie von Zauberhand flog der Mann rückwärts durch die Luft und krachte gegen einen Baumstamm. Wenige Schritte weiter blieb ein junger Knappe stehen. Zwar war er schon mehrfach Zeuge gewesen, wenn sein Meister den Odem benutzte, und wusste über die theoretischen Grundlagen einigermaßen Bescheid, doch er empfand das Ganze jedes Mal wie eine Aufforderung.
Grenouille spürte eine Vibration in der Luft, wurde sich der
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