Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
nur Tiere«, grunzte Dun.
Zwar wusste er um die Einfältigkeit der Drachen, die sich beinahe wie Schafe verhielten – dass sie allerdings derart dumm waren, hatte er nicht geahnt. Dieser mutmaßliche Trumpf der Rebellen konnte sich am Ende als ihre Schwäche entpuppen.
»Natürlich sind es nur Tiere, aber sie können unsere Männer mühelos in Stücke reißen. Sogar am Boden. Stell dir bloß vor, einer von ihnen käme doch noch auf die Idee, über das Tal zu fliegen … Glücklicherweise beschränken sie sich bisher auf den Berg.«
»Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Die Biester sind einfach zu dämlich. Pack sie in einen nach oben offenen Gang, und sie rennen darin herum wie die Ratten. Da ändert sich nichts, mein guter Negus.«
»Leider doch«, entgegnete er mit gesenktem Blick. »Manche Dinge ändern sich trotzdem.«
Er atmete tief durch, dann sprudelte es aus ihm hervor: »Nichts wird mehr wie früher sein. Dieser Krieg dauert schon viel zu lang. Du kommst doch gerade aus Emeris – hast du es nicht gespürt?« Es war, als müsste er sich eine Last von der Seele reden.
»Was meinst du?«
»Das Schlangennest, mein Freund. Der Kaiser wird schlecht beraten. Laerte, der Sohn von Uster, ist immer noch nicht wieder aufgetaucht. Angeblich soll er sich in der Gegend von Eole auf dem Land aufhalten. Zwar herrscht auch dort der Aufstand, aber niemand kann beweisen, dass er ihn anführt. Er scheint überall gleichzeitig zu sein und jede Revolte anzuführen. In Serray haben wir ein paar Aufständische festnehmen und verhören können, ebenso in Brenin. Alle sagten, sie hätten Laerte gesehen, aber niemand kann ihn beschreiben. Er ist kein Mensch aus Fleisch und Blut mehr, sondern ein Gerücht. Und weißt du, was mit Gerüchten geschieht? Sie verbreiten sich bis zum Palast. Auch dort lauert bereits die Revolte. Man fürchtet sich nämlich hauptsächlich vor dem, was man nicht sieht. Angeblich haben sich schon Edelleute mit Laerte verbündet. Die Ideen Oratio von Usters sind faszinierend. Als wir ihn henkten, haben wir ihn zum Märtyrer gemacht, und Laerte weiß das genau. Der Krieg in Emeris wird politisch geführt; er besteht aus Beschuldigungen und Gemunkel. Es ist ein Krieg der Worte.«
Mit auf die Brüstung gestützten Armen betrachtete Dun die seltsam stille Landschaft unter sich. Kapernevic wirkte unendlich ruhig. Die fernen Bäume bewegten sich sanft im leisen Wind.
»Wird schon jemand verdächtigt?«, fragte er schließlich ernst.
Allein die Vorstellung, Emeris könnte betroffen sein, erschien ihm unerträglich. Der Palast war sein Refugium, seine Höhle … sein Herz. Er hatte den Kaiser auf die schändlichste Weise geschützt, ehe er ihm später höchst ehrenvoll diente. Und plötzlich begann diese Welt, die er sich so mühsam aufgebaut hatte, in ihren Grundfesten zu wanken.
»Die Rede ist von Sprösslingen adliger Familien aus den Salinen. Es geht um die Grafschaften Alser und Rubegond und um das Herzogtum Erinbourg. Ganz zu schweigen von den Flüchtlingen aus den Salinen – einigen ganz bestimmten.«
Kämpfen. Zuschlagen. Angreifen. Diese Dinge waren Dun vertraut. Aber gegen Intrigen an höchster Stelle konnte er nichts ausrichten; sie machten ihn hilflos. Langsam richtete er sich auf.
»Hast du einen Plan, wie du Stromdag angreifen willst?«, fragte er.
Es war besser, über Themen zu sprechen, von denen er etwas verstand.
»Mein lieber Freund …«
Mit einem traurigen Lächeln legte ihm Negus die Hand auf den Arm.
»Der Kaiser misstraut Flüchtlingen aus den Salinen, die sich in Emeris in Sicherheit gebracht haben. Hast du noch immer nicht verstanden?«
Dun atmete tief durch. O doch, er hatte verstanden. Gleich beim ersten Mal hatte er die Anspielung begriffen, sich jedoch geweigert, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Er riss den Arm unter Negus’ Hand fort, trat von der Brüstung zurück und wandte sich zur Leiter.
»Dun«, sagte Negus leise.
»Er muss Grenouille wirklich nicht misstrauen. Niemand muss das«, gab Dun trocken zurück, ohne sich umzudrehen.
Schon stand sein Fuß auf der obersten Sprosse.
»So hör mir doch wenigstens zu«, bat Negus und folgte ihm.
»Er wird das Kaiserreich nicht verraten!«, fauchte Dun.
»Vielleicht nicht. Aber du solltest auf der Hut sein. Einige Ratgeber des Kaisers halten ihn für gefährlich.«
Dun begegnete dem betrübten Gesicht seines Freundes mit einem bösen Lächeln. Grenouille war noch fast ein Kind, doch die
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