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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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darüber im Klaren, dass der Junge erheblich weniger riskierte, wenn er gegen sichtbare Feinde vorging, als wenn er in das Schlangennest Emeris zurückkehrte. Und was Aladzio anging, so würde er ein oder zwei Tage mehr in Kapernevic sicher überleben.
    Irgendwo in der Ferne ertönte ein rauer Schrei.
    »Hast du schon einmal einen Drachen gesehen?«, erkundigte sich Dun verträumt.
    Weit über den fernen Wäldern erhoben sich vier schwarze Gestalten kreisend in die Luft. Ihre Flügel entfalteten sich, die langen Hälse schimmerten im Mondlicht. Die Drachen erwachten.
    Am folgenden Abend würden Dun und Grenouille auf die Jagd gehen. Auf die Jagd nach Drachen und Menschen, die versuchten, sie gegen das Kaiserreich einzusetzen.

9
    LEBENSRETTER
    Wollt Ihr wirklich für den Rest
    Eures Lebens ein Gespenst bleiben?
    Handelt doch endlich als der,
    der Ihr seid – als General.

    S tolze Säulen reckten sich vom goldbraunen Marmorboden empor. Die hohen, eingefärbten Fenster verliehen dem Sonnenlicht einen weichen Schimmer. Mitten im Raum stand ein kleiner Mann mit faltigem Gesicht und fast kahlem Schädel. Trotz seiner Korpulenz schien ihm die weiße Toga mit dem grüngoldenen Überwurf zu groß zu sein. Ein Ratsherr … Wer erinnerte sich noch daran, dass er einst Armeen zum Sieg geführt und sich des Odems bedient hatte? Und dass er seinen letzten Kampf an der Seite von Dun-Cadal Daermon in Kapernevic gefochten hatte?
    »Mein Name ist Viola Aguirre, Ratsherr Negus«, stellte sich die junge Frau vor und schüttelte die ausgestreckte Hand des kleinen Mannes. »Ich bin Historikerin an der Großen Universität von Emeris.«
    Sie verbeugte sich graziös.
    »Wir sind Euch sehr dankbar, dass Ihr so kurz nach Eurer Ankunft in Masalia Zeit für uns erübrigt. Unser Anliegen ist allerdings auch von höchster Wichtigkeit für …«
    »Er ist hier, Negus«, unterbrach Dun ihren Redefluss.
    Das Lächeln des Ratsherrn wurde leicht ironisch.
    »Und ich dachte schon, du wolltest über die guten alten Zeiten plaudern«, sagte er leise.
    Dun hatte nicht gerade seinen besten Tag. Sein verwüstetes Gesicht war unrasiert, und die vom Trinken geröteten Augen verliehen ihm das Aussehen eines geprügelten Hunds. Kein Außenstehender hätte geahnt, dass hier zwei große Helden einander gegenüberstanden.
    »Es geht um den Mord am Ratsherrn Enain-Cassart«, erklärte Viola. »Wir haben allen Grund zu glauben …«
    »Lasst uns allein«, schnitt Dun ihr das Wort ab, ohne den Blick von seinem alten Freund zu lösen.
    Viola zögerte kurz, ehe sie nickte, sich umdrehte und zu einer der Bänke am Fenster ging.
    Die beiden Männer standen nun allein in dem großen Saal. Sie musterten sich ausgiebig, ließen aber wenig Zuneigung erkennen. Nur in ihren Augen zeigte sich ein seltsames Leuchten. Das, was sie miteinander erlebt hatten, würden sie nie vergessen können. Das jedoch, was sie an diesem Tag aneinander entdeckten, wurde dadurch noch unerträglicher.
    »Ich dachte, du wärst längst tot«, stellte Negus fest.
    »Und ich dachte, du wärst … ehrenhafter«, presste Dun hervor.
    Er hatte Mühe, seine Wut im Zaum zu halten. Seinen Freund in den Farben der Republik zu sehen widerstrebte ihm zutiefst. Aber vielleicht gab es ja eine Erklärung dafür.
    »Die Zeiten ändern sich, mein Freund.«
    »Aber so sehr?«, hakte Dun nach. »So sehr, dass du alles vergessen hast, wofür wir kämpften? So sehr, dass du heute dem Feind dienst?«
    »Du bist also hier, um über mich zu urteilen«, klagte Negus mit einem traurigen Lächeln. »Ein Gespenst aus der Vergangenheit verurteilt mich.«
    »Nein«, sagte Dun.
    Er senkte den Kopf.
    »Natürlich nicht.«
    Ob er sich selbst auch so sehr verändert hatte? Er erkannte sich selbst nicht wieder in diesem formlosen Körper, der sich von Weinbecher zu Weinbecher und von den Tavernen der Unterstadt zu Mildrels Haus schleppte.
    »Ich war gestern am Hafen, als Enain-Cassart ermordet wurde …«
    Jetzt lächelte Negus nicht mehr. Sein sonst so joviales Gesicht wirkte wie versteinert.
    »Ich habe den Mörder gesehen«, fuhr Dun fort. »Er ist hier.«
    »Von wem sprichst du?«, fragte der Ratsherr mit gerunzelten Brauen.
    »Von der Hand des Kaisers .«
    Sie musterten einander schweigend. Dun war der Erste, der den Blick abwandte.
    »Die Hand des Kaisers«, wiederholte Negus schließlich leise. »Dann bist du also gekommen, um mich zu warnen.«
    »Um dir das Leben zu retten.«
    Aber sein Gesicht war bleich, und seine Augen

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