Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Gefühl verspürte, das er schon am Tag zuvor am Hafen empfunden hatte. So oft schon war er dem Tod derart nah gewesen, dass er ihn bereits erahnte, bevor er zuschlug. Mit einem Schulterstoß zertrümmerte er die Tür und blieb stehen.
Sind die Fallen bereit, Negus?
Vielleicht ist dies unser letzter Kampf Seite an Seite, mein Freund …
»Sie kommen!«
Die Nacht war sternenklar. Weißer Hauch stand vor ihren Mündern. Beißende Kälte hüllte die Männer ein und sog alle Wärme aus ihren in reifbedeckte Rüstungen gezwängten Körpern. Sie lagen zu Füßen der hohen Bäume im Schnee, hatten Fackeln entzündet und warteten. Dun stand neben ihnen, die Faust fest um den Schwertgriff geschlossen. In der tiefen Stille konnte man hören, wie sein Lederhandschuh über den Knauf glitt.
»Ich sehe überhaupt nichts«, nörgelte Grenouille, der bei den Soldaten lag.
»Vertrau ihm einfach«, sagte Negus. Er lehnte nur wenige Schritte entfernt an einem Baum und zwinkerte dem Jungen zu.
Sie waren an einem kleinen Hang inmitten der Wälder um Kapernevic in Stellung gegangen. Hunderte frierende Soldaten warteten furchtsam auf den Angriff. Vor einer guten Stunde hatten die Treiber ihre Positionen verlassen und schlichen auf der Suche nach dem Lager der Aufständischen durch das Unterholz. Ihre Aufgabe war einfach. Sie sollten einen Scheinangriff starten und dann so tun, als zögen sie sich zurück. Auf diese Weise konnten sie die sich deutlich überlegen wissende feindliche Armee an den gewünschten Punkt bringen und angreifen. Der Plan stammte von Dun und stützte sich auf die Dummheit der Drachen, an der Stromdags ursprüngliche Strategie gescheitert war. Seltsamerweise war es Aladzio gewesen, der ihn auf diese Idee gebracht hatte, die sich jetzt nur noch als durchführbar erweisen musste.
»Alle bleiben auf ihren Positionen«, befahl Dun im Flüsterton und ging selbst in die Knie.
In der Dunkelheit konnte er die Bewegungen der Bäume kaum ausmachen. War es nur der Wind, der die Zweige bewegte? Nein. Schatten bewegten sich in ihre Richtung. Der Plan schien aufzugehen. Schon war das Klirren der Rüstungen zu hören. Soldaten rannten um ihr Leben. Ihnen folgte ein lautes Rauschen, und dann schrie eine Stimme: »Sie kommen!«
Eine Sekunde noch.
»Alarm!«
Dun und Negus wechselten einen entschlossenen Blick. Alles musste jetzt ganz schnell gehen, und genau das war die einzig mögliche Schwachstelle in ihrer Strategie. Ihr gesamtes Konzept beruhte auf der Findigkeit eines Mannes, dem bisher nichts anderes gelungen war, als eine Scheune in Brand zu setzen. Grenouille hatte dem Plan äußerst reserviert gegenübergestanden, und auch Negus hatte zunächst an einen Scherz geglaubt.
»Lanzen vor!«, befahl Dun-Cadal.
Aber es war kein Scherz. Die ersten Soldaten brachten ihre Lanzen in Stellung. Nur wenige Meter vor ihnen lehnten mit Äxten bewaffnete Fußsoldaten an den Bäumen und bemühten sich, ihre Angst unter Kontrolle zu halten. Um die Stämme hatte man Seile gerollt. Rauschen. Klirren. Rauschen und Klirren.
»Sie sind da!«, rief ein Mann und sprang aus dem Halbschatten.
Zehn atemlose Treiber folgten, dann ertönte ein ohrenbetäubendes Gebrüll. Das Rauschen wurde zum infernalischen Lärm. Als der erste Drache im Licht der Fackeln erschien, gab es kein Zögern mehr.
»Jetzt!«, kommandierte Dun und richtete sich auf.
Die Fußsoldaten zerhackten die Seile. Ein riesiges Netz, zwischen den Bäumen verborgen und mit Stacheldraht verstärkt, löste sich. Schnee und Tannennadeln sprühten empor. Wieder einmal waren die Drachen blindlings ihrem Zorn gefolgt und ohne zu überlegen durch den Wald getrampelt. Der erste wurde abrupt gestoppt, und seinen Artgenossen rechts und links von ihm erging es nicht besser. Sie zappelten wild herum und schlugen knurrend mit den Flügeln, doch ihre Köpfe steckten in einer Falle aus stabilen Seil- und Metallmaschen.
Die Lanzenträger walteten ihres Amtes und durchbohrten die gefangenen Tiere. Dun beendete den Angriff, indem er sein Schwert in das Auge des nächsten Drachen stieß.
Als er sich umdrehte, sah er Grenouille, der mit hängenden Armen herumstand und sein Schwert schleifen ließ. Verblüfft musterte er die riesigen, warzigen Körper, die langen, mit messerscharfen Zähnen bewehrten Mäuler, aus denen Speichel troff, und die großen Nüstern, die heiße Wolken ausstießen. Zwar hatte Dun ihm vor dem Kampf das Aussehen der Tiere beschrieben, sie aber leibhaftig vor sich zu
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