Der Pfad im Schnee
Leute waren an den Bündnissen der Arai interessiert. Vor allem an Daiichi, bevor er zu den Noguchi ging.«
»Ist mit gewissen Leuten Iida gemeint?«
»Natürlich. Das war Teil der Vereinbarung mit dem Clan der Seishuu nach der Schlacht von Yaegahara. Arai diente Noguchi nur ungern. Er mochte Iida nicht und hielt Noguchi für einen Verräter, doch er musste gehorchen.«
»Du hast für Iida gearbeitet?«
»Sie wissen, für wen ich arbeite«, sagte Shizuka ruhig. »In erster Linie immer für die Familie Muto, für den Stamm. Iida hatte damals viele Muto angestellt.«
»Ich werde das nie verstehen«, sagte Kaede. Die Bündnisse ihrer Klasse waren kompliziert genug mit den neuen, die durch Heirat entstanden, den alten, die durch Geiseln aufrechterhalten wurden, und gebrochenen Gelöbnissen wegen plötzlicher Beleidigungen oder Fehden oder aus reinem Opportunismus. Doch das alles schien ganz einfach zu sein im Vergleich zu den Intrigen des Stamms. Wieder kam Kaede der unangenehme Gedanke, dass Shizuka nur auf Befehl der Familie Muto bei ihr blieb.
»Bespitzelst du mich?«
Shizuka bat sie mit einer Handbewegung, still zu sein. Die Männer ritten vor und hinter ihnen, außer Hörweite, fand Kaede.
»Nun?«
Shizuka legte dem Pferd die Hand auf die Schulter. Kaede schaute hinunter auf ihren Hinterkopf, den weißen Nacken unter dem dunklen Haar. Shizuka hatte den Kopf abgewandt, sodass Kaede ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie hielt Schritt mit dem Pferd, während es den Hang hinunterstapfte und die Hinterbacken schwang, um das Gleichgewicht zu halten. Kaede neigte sich vor und versuchte leise zu sprechen. »Sag schon.«
Da scheute das Pferd und bäumte sich plötzlich auf. Aus Kaedes Vorbeugen wurde eine jähe Abwärtsbewegung.
»Ich falle«, dachte sie überrascht und der Boden raste auf sie zu, während sie und Shizuka gemeinsam stürzten.
Das Pferd sprang zur Seite, es versuchte, nicht auf die Frauen zu treten. Kaede spürte, dass noch mehr Verwirrung und Gefahr sie umgab.
»Shizuka!«, rief sie.
»Unten bleiben«, antwortete das Mädchen und stieß sie zu Boden, doch Kaede wehrte sich, sie wollte sehen, was vorging.
Auf dem Pfad vor ihnen waren zwei Männer, nach ihrem Aussehen wilde Banditen, mit gezogenen Schwertern. Kaede tastete nach ihrem Messer, wünschte sich ein Schwert oder wenigstens einen Stock, erinnerte sich an ihre Versprechen - und das alles im Bruchteil einer Sekunde, bevor sie das Surren einer Bogensehne hörte. Ein Pfeil flog am Ohr des Pferds vorbei, es sprang hoch und bockte wieder.
Ein kurzer Schrei ertönte und ein Mann stürzte vor ihre Füße. Blut strömte aus seinem Hals, wo der Pfeil ihn durchbohrt hatte.
Der zweite Mann zögerte einen Augenblick. Das Pferd sprang zur Seite und warf ihn aus dem Gleichgewicht. Er schwang vergeblich sein Schwert nach Shizuka, dann war Langarm bei ihm, duckte sich unter dem Schlag, kam mit fast übernatürlicher Schnelligkeit hoch und die Spitze seines Schwerts schien wie von selbst den Weg in die Kehle des Mannes zu finden.
Die Männer vorn drehten sich um und rannten zurück, die von hinten kamen vorgelaufen. Shizuka hatte das Pferd am Zügel gefasst und beruhigte es.
Langarm half Kaede auf die Füße. »Keine Angst, Lady Otori«, sagte er mit seinem rauen Akzent, sein Atem roch kräftig nach Pfefferöl. »Das waren nur Straßenräuber.«
Nur Straßenräuber?, dachte Kaede. Sie starben so plötzlich und unter so viel Blutvergießen. Straßenräuber, vielleicht, aber in wessen Sold?
Die Männer nahmen den Banditen die Waffen ab und verlosten sie, dann warfen sie die Leichen ins Gestrüpp. Es war unmöglich festzustellen, ob einer von ihnen den Überfall vorausgesehen hatte oder von dessen Misserfolg enttäuscht war. Ihr Respekt vor Langarm schien gewachsen zu sein und Kaede merkte, dass sie von der Schnelligkeit seiner Reaktion und seiner Geschicklichkeit beim Kämpfen beeindruckt waren. Doch ansonsten verhielten sie sich, als sei das ein normaler Vorfall, eines der Risiken beim Reisen. Einer oder zwei neckten Shizuka damit, dass die Banditen sie zur Frau haben wollten, und sie antwortete im gleichen Ton und fügte hinzu, der Wald sei voll von solchen Verzweifelten, doch selbst ein Bandit hätte mehr Chancen als irgendeiner aus der Eskorte.
»Nie hätte ich deinen Beschützer erraten«, sagte Kaede später. »Ganz im Gegenteil. Ihn habe ich verdächtigt, dass er dich mit diesen großen Händen töten will.«
Shizuka lachte. »Er ist ein
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