Der Pfad im Schnee
Veranda traten. Ein schwaches Licht brannte am Eingang.
Sie sagte: »Ich habe nicht erwartet, dich lebend wiederzusehen.«
»Ich habe nicht erwartet, am Leben zu bleiben.« Ich dachte an ihre Gewandtheit und Skrupellosigkeit und fügte hinzu: »Ich bin tief in deiner Schuld. Ich kann das nie wieder gutmachen.«
Sie lächelte. »Ich habe eigene Schulden zurückgezahlt. Du schuldest mir nichts. Aber ich hoffe, wir werden Freunde sein.«
Das Wort schien nicht stark genug, um zu beschreiben, wie wir bereits zueinander standen. Sie hatte mir Shigerus Schwert Jato gebracht und mir geholfen, Shigeru zu retten und zu rächen - die wichtigsten und verzweifeltsten Handlungen meines Lebens. Ich empfand tiefe Dankbarkeit für sie, gemischt mit Bewunderung.
Sie verschwand einen Augenblick und kam mit Wasser zurück. Ich wusch mir die Füße und hörte den beiden Meistern zu, die sich im Haus unterhielten. Sie hatten vor, ein paar Stunden lang zu ruhen, dann sollte ich mit Kotaro weiterreisen. Erschöpft schüttelte ich den Kopf. Ich war es müde zuzuhören.
»Komm«, sagte Yuki und führte mich in die Mitte des Hauses, wo sich wie in Inuyama ein verborgener Raum befand, so eng wie eine Besenkammer.
»Bin ich wieder ein Gefangener?« Ich betrachtete die fensterlosen Wände.
»Nein, es ist nur zu deiner Sicherheit, damit du dich ein paar Stunden ausruhen kannst. Dann wirst du Weiterreisen.«
»Ich weiß; ich habe es gehört.«
»Natürlich«, sagte sie, »ich habe vergessen, dass du alles hörst.«
»Zu viel.« Ich setzte mich auf die Matratze, die bereits auf dem Boden ausgebreitet war.
»Begabungen sind eine Last. Aber mit ihnen lebt man besser als ohne sie. Ich hole dir etwas zu essen, der Tee ist fertig.«
Gleich darauf kehrte sie zurück. Ich trank den Tee, doch das Essen war mir zuwider. »Zum Baden ist kein heißes Wasser da«, sagte sie. »Tut mir Leid.«
»Ich werde es überleben.« Schon zweimal hatte sie mich gebadet. Einmal hier in Yamagata, als ich nicht wusste, wer sie war, und sie meinen Rücken geschrubbt und meine Schläfen massiert hatte, dann wieder in Inuyama, als ich kaum mehr gehen konnte. Die Erinnerung überflutete mich. Unsere Blicke trafen sich und ich wusste, dass sie das Gleiche dachte. Dann schaute sie weg und sagte leise: »Ich gehe und lasse dich schlafen.«
Ich legte mein Messer dicht neben die Matratze und schlüpfte unter die Decke, ohne mich auszuziehen. Ich dachte darüber nach, was Yuki über Begabungen gesagt hatte. Ich glaubte nicht, dass ich je wieder so glücklich sein würde wie damals in Mino, dem Dorf, in dem ich geboren war - aber in Mino war ich ein Kind gewesen und jetzt war das Dorf zerstört, meine gesamte Familie getötet. Ich durfte nicht in der Vergangenheit verweilen. Ich war einverstanden gewesen, zum Stamm zu kommen. Sie wollten mich wegen meiner Begabungen, und nur beim Stamm würde ich lernen, diese Talente zu entwickeln und zu beherrschen.
Ich dachte an Kaede, die ich schlafend in Terayama zurückgelassen hatte. Hoffnungslosigkeit überkam mich, dann Resignation. Nie würde ich sie wiedersehen. Ich würde versuchen sie zu vergessen. Langsam wurde die Stadt um mich herum lebendig. Endlich, als das Licht jenseits der Türen heller wurde, schlief ich ein.
Plötzlich erwachte ich durch den Lärm von Menschen und Pferden auf der Straße jenseits der Hausmauern. Das Licht im Zimmer hatte sich verändert, als ob die Sonne das Dach überquert hätte, doch ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Ein Mann schrie, eine Frau reagierte mit Protest und wurde wütend. Ich verstand, worum es ging. Die Männer waren Gefolgsleute von Arai, und auf der Suche nach mir gingen sie von Haus zu Haus.
Ich schob die Decke zurück und tastete nach meinem Messer. Gerade nahm ich es in die Hand, da wurde die Tür aufgeschoben und Kenji kam leise herein. Die falsche Wand schloss sich hinter ihm. Kenji betrachtete mich kurz, schüttelte den Kopf und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf das winzige Stück Boden zwischen Matratze und Wand.
Ich erkannte die Stimmen - die Männer waren mit Arai in Terayama gewesen. Ich hörte, wie Yuki die zornige Frau beruhigte und den Männern etwas zu trinken anbot.
»Wir sind jetzt alle im selben Boot«, sagte sie und lachte. »Glaubt ihr, wenn Otori Takeo hier wäre, könnten wir ihn verstecken?«
Die Männer tranken rasch und gingen. Als ihre Schritte verklangen, schnaubte Kenji und bedachte mich mit einem seiner verächtlichen Blicke.
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