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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Pfade und oft war der Boden mit Eis bedeckt. Die Pferdehufe wurden mit Stroh umwickelt, doch sie kamen nur langsam voran und Kaedes Ungeduld nahm zu.
    Endlich erreichten sie an einem späten Nachmittag das Gasthaus am Fuß des heiligen Bergs, in dem Kaede bei ihrem ersten Tempelbesuch mit Lady Maruyama Rast gemacht hatte. Hier würden sie die Nacht verbringen, bevor sie am nächsten Tag den letzten Aufstieg hinter sich brachten.
    Kaede schlief unruhig, ihre Gedanken waren mit den Gefährten der früheren Reise beschäftigt, deren Namen jetzt in den Totenbüchern standen. Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie zusammen ausgeritten waren, wie unbeschwert alle gewirkt hatten, während sie Mord und Bürgerkrieg planten. Davon hatte sie nichts gewusst; sie war ein unerfahrenes Mädchen gewesen, das eine heimliche Liebe hegte. Eine Welle verächtlichen Mitgefühls für dieses unschuldige, arglose Ich überkam sie. Inzwischen hatte sie sich völlig verändert, doch die Liebe war gleich geblieben.
    Blasses Licht zeigte sich hinter den Läden und Vögel riefen. Das Zimmer kam ihr unerträglich stickig vor. Manami schnarchte leicht. Kaede stand leise auf, zog ein gestepptes Gewand an und schob die Tür zum Hof auf. Hinter der Mauer hörte sie die angebundenen Pferde stampfen. Eins von ihnen schnaubte, als hätte es jemanden wiedererkannt. Die Männer müssen schon auf sein, dachte Kaede und vernahm Schritte am Tor. Sie trat wieder hinter den Laden.
    Alles war neblig und undeutlich im Morgenlicht. Eine Gestalt kam in den Hof. Sie dachte: Er ist es. Und dann: Das kann nicht sein.
    Takeo kam aus dem Nebel auf sie zu.
    Sie trat auf die Veranda, und als er sie erkannte, sah sie seinen Gesichtsausdruck. Dankbar und erleichtert stellte sie fest: Alles ist gut. Er lebt. Er liebt mich.
    Leise ging er auf die Veranda und fiel vor ihr auf die Knie. Auch sie kniete nieder. »Setz dich auf«, flüsterte sie.
    Er setzte sich und sie schauten einander minutenlang an, sie, als wollte sie ihn in sich aufnehmen, er verstohlen, ohne ihrem Blick zu begegnen. Sie saßen beklommen da, so viel war zwischen ihnen.
    Takeo sagte schließlich: »Ich habe mein Pferd gesehen. Ich wusste, dass du hier sein musst, aber ich konnte es nicht glauben.«
    »Ich habe gehört, dass du hier bist. In großer Gefahr, aber am Leben.«
    »Die Gefahr ist nicht so groß. Meine größte Gefahr droht mir von dir - dass du mir nicht verzeihen kannst.«
    »Ich kann dir unmöglich nicht verzeihen«, sagte sie einfach, »solange du mich nicht wieder verlässt.«
    »Man hat mir erzählt, du sollst verheiratet werden. Den ganzen Winter hatte ich Angst davor.«
    »Es gibt jemanden, der mich heiraten will: Lord Fujiwara. Aber wir sind noch nicht verheiratet, noch nicht einmal verlobt.«
    »Dann müssen wir sofort heiraten. Bist du hier, um den Tempel zu besuchen?«
    »Das hatte ich vor. Dann sollte ich nach Inuyama.« Sie betrachtete sein Gesicht. Er sah älter aus, die Knochen ausgeprägter, der Mund entschlossener. Sein Haar, kürzer als zuvor, war nicht nach Kriegerart zurückgebunden, sondern fiel ihm dicht und glänzend in die Stirn.
    »Ich werde Männer schicken, die dich den Berg hinaufbegleiten. Heute Abend komme ich zum Gästehaus der Frauen im Tempel. Wir haben so viel zu planen. Schau mir nicht in die Augen«, fügte er hinzu. »Ich will nicht, dass du einschläfst.«
    »Ich habe nichts dagegen. Der Schlaf kommt selten zu mir. Lass mich schlafen bis zum Abend, dann vergehen die Stunden schnell. Als ich damals schlief, erschien mir in einer Vision die Weiße Göttin. Sie trug mir auf, geduldig zu sein, auf dich zu warten. Ich bin hier, um ihr dafür und für die Rettung meines Lebens zu danken.«
    »Man sagte mir, du lägst im Sterben.« Er konnte nicht weitersprechen. Erst nach einigen Sekunden sagte er angestrengt: »Ist Muto Shizuka bei dir?«
    »Ja.«
    »Und hast du einen Gefolgsmann vom Stamm, Kondo Kiichi?«
    Sie nickte.
    »Du musst sie wegschicken. Lass deine anderen Männer inzwischen hier. Hast du noch eine andere Begleiterin?«
    »Ja«, sagte Kaede. »Aber ich glaube nicht, dass Shizuka irgendetwas tun würde, was dir schadet.« Doch im selben Moment dachte sie: Aber woher soll ich das wissen? Kann ich Shizuka vertrauen? Oder Kondo, was das angeht? Ich habe seine Grausamkeit gesehen.
    »Der Stamm hat mich zum Tod verurteilt«, sagte Takeo. »Deshalb bedeutet jeder von ihnen eine Gefahr für mich.«
    »Aber ist es denn nicht gefährlich für dich, draußen zu

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