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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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sein?«
    Er lächelte. »Ich lasse mich nie von jemandem einsperren. Nachts erkunde ich gern die Orte. Ich muss das Gelände kennen und herausfinden, ob die Otori planen, mich schon jenseits ihrer Grenze anzugreifen. Ich war auf dem Rückweg, da sah ich Raku. Er hat mich erkannt. Hast du ihn gehört?«
    »Er hat auch auf dich gewartet.« In ihr meldete sich die Sorge. »Will jeder deinen Tod?«
    »Sie werden keinen Erfolg haben. Noch nicht. Heute Nacht erzähle ich dir, warum.«
    Kaede sehnte sich nach seiner Umarmung. Ihr Körper neigte sich ihm zu. Im selben Moment reagierte er und nahm sie in die Arme. Sie spürte sein Herz schlagen, seine Lippen an ihrem Hals. Dann flüsterte er: »Jemand ist wach. Ich muss gehen.«
    Sie hörte nichts. Takeo löste sich sanft von ihr. »Bis heute Abend.«
    Sie schaute ihn an, suchte seinen Blick, hoffte halb, in Schlaf versetzt zu werden, aber schon war er verschwunden. Erschrocken schrie sie auf. Im Hof oder dahinter war keine Spur von ihm. Die Glockenspiele erklangen jäh, wie aufgeschreckt von einem, der unter ihnen durchging. Kaedes Herz hämmerte. War es sein Geist gewesen, der zu ihr gekommen war? Hatte sie geträumt, und was würde sie vorfinden, wenn sie erwachte?
    »Was machen Sie hier draußen, Lady?« Manamis Stimme war schrill vor Besorgnis. »Sie werden sich den Tod holen.«
    Kaede zog das Gewand um sich. Tatsächlich zitterte sie vor Kälte. »Ich konnte nicht schlafen«, sagte sie langsam. »Ich hatte einen Traum…«
    »Gehen Sie hinein. Ich kümmere mich um Tee.« Manami schlüpfte in ihre Sandalen und eilte über den Hof davon.
    Schwalben schossen über den Hof. Kaede roch Holzrauch, als die Feuer angezündet wurden. Die Pferde wieherten beim Füttern. Wieder hörte sie Raku wie zuvor. Die Luft war scharf, doch Kaede nahm Blütenduft wahr. Ihr Herz füllte sich mit Hoffnung. Es war kein Traum gewesen. Er war hier. In ein paar Stunden würden sie zusammen sein. Sie wollte nicht hineingehen. Sie wollte bleiben, wo sie war, und sich erinnern an seinen Blick, seine Berührung, seinen Geruch.
    Manami kam zurück, sie trug ein Tablett mit Tee und Schalen. Wieder tadelte sie Kaede und drängte sie ins Zimmer. Shizuka zog sich gerade an und rief nach einem Blick auf Kaede: »Sie haben Takeo gesehen?«
    Kaede antwortete nicht sofort. Sie nahm eine Schale Tee von Manami und trank langsam. Sie fand, sie müsse vorsichtig sein mit dem, was sie sagte: Shizuka war vom Stamm, der das Todesurteil über Takeo verhängt hatte. Sie selbst hatte Takeo versichert, dass Shizuka ihm nicht schaden würde, doch konnte sie sich dessen sicher sein? Aber Kaede stellte fest, dass sie nicht fähig war, ihren Gesichtsausdruck zu beherrschen, sie hörte nicht auf zu lächeln, als wäre die Maske zersprungen und abgefallen.
    »Ich gehe zum Tempel«, sagte sie. »Ich muss mich fertig machen. Manami wird mich begleiten. Shizuka, du kannst jetzt zu deinen Söhnen reisen und Kondo mitnehmen.«
    »Ich dachte, Kondo sollte mit Ihnen nach Inuyama«, sagte Shizuka.
    »Ich habe es mir anders überlegt. Er muss dich begleiten und ihr müsst beide sofort aufbrechen, jetzt.«
    »Das sind Takeos Befehle, nehme ich an«, sagte Shizuka. »Mir können Sie nichts vormachen. Ich weiß, dass Sie ihn gesehen haben.«
    »Ich habe ihm gesagt, du würdest ihm nicht schaden. Das stimmt doch?«
    Shizuka entgegnete scharf: »Fragen Sie das lieber nicht. Wenn ich ihn nicht sehe, kann ich ihm nicht schaden. Aber wie lange wollen Sie im Tempel bleiben?
    Vergessen Sie nicht, dass Arai in Inuyama auf Sie wartet.«
    »Ich weiß nicht. Alles hängt von Takeo ab.« Kaede konnte die nächsten Worte nicht zurückhalten. »Er hat gesagt, wir müssen heiraten. Wir müssen es, wir werden es.«
    »Sie dürfen nichts tun, bevor Sie Arai gesehen haben«, warnte Shizuka eindringlich. »Wenn Sie ohne seine Zustimmung heiraten, werden Sie ihn beleidigen. Er wird tief gekränkt sein. Sie können es sich nicht leisten, sich Arai zum Feind zu machen. Er ist Ihr stärkster Verbündeter. Und was ist mit Lord Fujiwara? Sie sind so gut wie verlobt mit ihm. Wollen Sie ihn auch verletzen?«
    »Ich kann Fujiwara nicht heiraten«, rief Kaede. »Er weiß am besten, dass ich niemanden heiraten kann als Takeo. Allen anderen Männern bringe ich den Tod. Aber ich bin Takeos Leben und er ist das meine.«
    »So geht es in der Welt nicht zu«, sagte Shizuka. »Denken Sie daran, was Lady Maruyama Ihnen gesagt hat, wie leicht diese Kriegsherren und Soldaten

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