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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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eine Frau vernichten, von der sie glauben, sie zweifle an der Macht der Männer. Fujiwara rechnet damit, Sie zu heiraten: Er muss sich mit Arai bereits beraten haben. Diese Verbindung kann Arai nur gutheißen. Abgesehen davon hat Takeo den gesamten Stamm gegen sich; er kann nicht überleben. Schauen Sie mich nicht so an: Es macht mich unglücklich, Sie zu verletzen. Weil Sie mir so viel bedeuten, muss ich Ihnen das sagen. Ich könnte Ihnen schwören, ihm nie zu schaden, aber es würde keinen Unterschied machen; dort draußen sind Hunderte, die es versuchen werden. Früher oder später wird einer von ihnen Erfolg haben. Niemand kann dem Stamm für immer entkommen. Das ist Takeos Schicksal und Sie werden sich damit abfinden müssen. Was wollen Sie nach seinem Tod tun, wenn Sie jeden beleidigt haben, der auf Ihrer Seite steht? Sie werden keine Hoffnung auf Maruyama mehr haben und Shirakawa verlieren. Ihre Schwestern werden Sie mit sich ins Unglück reißen. Arai ist Ihr Oberherr. Sie müssen nach Inuyama und seine Entscheidung über Ihre Heirat akzeptieren. Sonst erzürnen Sie ihn. Glauben Sie mir. Ich weiß, wie er reagiert.«
    »Kann Arai die Ankunft des Frühlings verhindern?«, entgegnete Kaede. »Kann er dem Schnee befehlen, nicht zu tauen?«
    »Alle Männer glauben gern, dass sie das können. Frauen setzen sich durch, indem sie diesen Glauben unterstützen, nicht bekämpfen.«
    »Lord Arai wird etwas anderes erfahren«, sagte Kaede leise. »Mach dich fertig. In einer Stunde musst du mit Kondo weg sein.«
    Sie wandte sich ab. Ihr Herz schlug wild, die Erregung stieg von ihrem Magen in die Brust und weiter in die Kehle. Sie konnte an nichts anderes denken als an die Verbindung mit ihm. Sein Anblick, seine Nähe weckten wieder das Fieber in ihr.
    »Sie sind wahnsinnig«, sagte Shizuka. »Sie sind jenseits aller Vernunft. Sie beschwören Unheil auf sich und Ihre Familie herab.«
    Wie zur Bekräftigung von Shizukas Worten ertönte plötzlich ein Brausen; das Haus ächzte, die Läden klapperten, die Glockenspiele läuteten, während der Boden unter ihren Füßen bebte.

KAPITEL 10

    Sobald der Schnee zu schmelzen begann und das Tauwetter kam, verbreitete sich wie fließendes Wasser die Nachricht, dass ich in Terayama war und von den Otorilords mein Erbe fordern würde. Und wie fließendes Wasser zuerst rinnt, dann strömt, fanden Krieger den Weg zum Bergtempel. Manche waren herrenlos, aber die meisten waren Otori, denen die Rechtmäßigkeit meines Anspruchs als Shigerus Erbe einleuchtete. Meine Geschichte war bereits eine Legende und ich galt offenbar als Held. So sahen mich nicht nur die jungen Männer der Kriegerklasse, sondern auch die Bauern und Dorfbewohner der Otoridomäne, die wegen des harten Winters, der steigenden Abgaben und der immer strengeren Gesetze - verfügt von Shigerus Onkeln Shoichi und Masahiro - verzweifelt waren.
    In der Luft lagen die Geräusche des Frühlings. An den Weiden prangten goldgrüne Blüten. Schwalben schossen über die überschwemmten Felder und bauten ihre Nester unter den Simsen der Tempelgebäude. Jede Nacht wurde der Froschlärm lauter, der helle Ruf des Regenfroschs, der klappernde Rhythmus des Baumfroschs und das süße Klimpern des kleinen Glockenfroschs. Blumen blühten üppig an den Dämmen, Schaumkraut, Butterblumen und Wicken in strahlendem Rosa. Reiher, Ibisse und Kraniche kehrten zu den Flüssen und Teichen zurück.
    Matsuda Shingen machte mir den beachtlichen Reichtum des Tempels zugänglich, und ich verbrachte die ersten Wochen des Frühlings damit, mit der Hilfe des Abts die ankommenden Männer einzuteilen, sie auszustatten und zu bewaffnen. Schmiede und Waffenmeister kamen aus Yamagata und anderen Städten und richteten sich Werkstätten am Fuß des heiligen Bergs ein. Täglich reisten Pferdehändler an und hofften auf gute Geschäfte, meistens mit Erfolg, denn ich kaufte so viele Pferde, wie ich nur konnte. Gleichgültig, wie viele Männer ich hatte und wie gut sie ausgerüstet waren, meine wichtigsten Waffen würden immer Geschwindigkeit und Überraschung sein. Ich hatte weder die Zeit noch die Mittel, eine riesige Armee von Infanteristen aufzubauen wie Arai. Ich musste mich auf eine kleine, aber schnellere Truppe Kavalleristen verlassen.
    Unter den ersten Ankömmlingen waren die Brüder Miyoshi, Kahei und Gemba, mit denen ich in Hagi unterrichtet worden war. Jene Tage, in denen wir mit Holzschwertern gekämpft hatten, schienen jetzt unglaublich weit entfernt. Dass

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