Der Pfad im Schnee
Übergriffe zu verhindern und die Kampfbereitschaft der Krieger zu erhalten. Sie stimmte zu, instinktiv wusste sie, dass die Männer beschäftigt und interessiert bleiben mussten. Zum ersten Mal war sie dankbar für die Jahre im Schloss, denn dort hatte sie viel über Krieger und Waffen gelernt. Von da an ritt Kondo oft mit fünf oder sechs Männern aus und nutzte diese Erkundungen, um Informationen einzuholen.
Sie wies Kondo und Shizuka an, gewisse Neuigkeiten unter den Männern zu verbreiten: ein Bündnis mit Arai, die Kampagne um Maruyama im Frühling, die Möglichkeit von Aufstieg und Wohlstand.
Lord Fujiwara ließ sich nicht sehen, schickte aber Geschenke, Wachteln, getrocknete Dattelpflaumen, Wein und warme gesteppte Kleidung. Ishida kehrte in die Residenz des Edelmanns zurück, und sie wusste, dass der Arzt ihn von ihren Fortschritten unterrichten und bestimmt keine Geheimnisse zurückhalten würde. Kaede wollte Fujiwara nicht treffen. Es war schändlich, ihn getäuscht zu haben, und sie bedauerte, dass sie seine Achtung verloren hatte, aber zugleich war sie erleichtert, ihn nicht persönlich zu sehen. Sein intensives Interesse an ihr hatte sie ebenso nervös gemacht und abgestoßen wie seine weiße Haut und die stechenden Augen.
»Er ist ein nützlicher Verbündeter«, erklärte ihr Shizuka. Sie waren im Garten und überwachten das Aufstellen der neuen Steinlaterne an Stelle der zerbrochenen. Es war ein kalter, klarer, ausnahmsweise sonniger Tag.
Kaede beobachtete zwei Ibisse in den Reisfeldern hinter dem Tor. Ihr blassrosa Wintergefieder hob sich leuchtend von der nackten Erde ab.
»Er war sehr gütig zu mir«, sagte sie. »Ich weiß, dass ich ihm mein Leben verdanke, weil er mir Dr. Ishida geschickt hat. Aber es würde mir nichts ausmachen, ihn nie wieder zu sehen.«
Die Ibisse folgten einander durch die Pfützen, die sich in den Ecken der Felder angesammelt hatten, mit ihren krummen Schnäbeln rührten sie das schlammige Wasser auf.
»Jedenfalls«, fügte sie hinzu, »bin ich für ihn jetzt befleckt. Er wird mich mehr denn je verachten.«
Shizuka hatte nichts gesagt vom Wunsch des Edelmanns, Kaede zu heiraten, und sie erwähnte es auch jetzt nicht.
»Sie müssen eine Entscheidung treffen«, sagte sie leise. »Sonst werden wir alle vor dem Frühjahr verhungern.«
»Es widerstrebt mir, mich an jemanden zu wenden. Ich möchte nicht wie eine Bittstellerin aussehen, verzweifelt und bedürftig. Ich weiß, dass ich irgendwann zu Arai gehen muss, aber ich glaube, ich kann warten, bis der Winter vorbei ist.«
»Ich glaube, die Vögel werden sich schon vorher versammeln«, sagte Shizuka. »Ich nehme an, Arai wird jemanden zu Ihnen schicken.«
»Und was ist mit dir, Shizuka?«, fragte Kaede. Die Säule war aufgestellt, die neue Laterne an ihrem Platz. Heute Abend würde sie eine Lampe hineinstellen, das würde in dem bereiften Garten unter dem klaren Himmel schön aussehen. »Was wirst du tun? Ich nehme nicht an, dass du immer bei mir bleiben wirst, nicht wahr? Du wirst andere Pläne haben. Was ist mit deinen Söhnen? Bestimmt sehnst du dich danach, sie zu sehen. Und was befiehlt dir der Stamm?«
»Momentan nichts anderes, als mich weiter um Ihre Interessen zu kümmern«, antwortete Shizuka.
»Hätten sie das Kind zu sich genommen wie Takeo?«, fragte Kaede und sagte sofort: »Oh, antworte mir nicht, das hat jetzt keinen Sinn.« Sie unterdrückte die Tränen und presste die Lippen fest aufeinander. Ein paar Augenblicke lang schwieg sie, dann fuhr sie fort: »Ich nehme an, du hältst sie auch auf dem Laufenden über meine Handlungen und Entscheidungen?«
»Von Zeit zu Zeit schicke ich meinem Onkel eine Botschaft. Zum Beispiel, als ich glaubte, Sie seien dem Tod nah. Und ich würde ihm von allen neuen Entwicklungen berichten: Wenn Sie beschließen sollten, wieder zu heiraten, oder Ähnliches.«
»Das werde ich nicht.« Während das Nachmittagslicht blasser wurde, leuchtete das rosa Gefieder der Ibisse noch stärker. Es war sehr ruhig. Die Arbeiter waren fertig für heute, der Garten wirkte stiller denn je. Und in dem Schweigen hörte sie wieder das Versprechen der Weißen Göttin: Sei geduldig.
Ich werde nie einen anderen heiraten als ihn, schwor sie wieder. Ich werde geduldig sein.
Es war der letzte sonnige Tag. Das Wetter wurde feucht und rau. Ein paar Tage später kam Kondo bei starkem Regen von einer seiner Patrouillen zurück. Schnell stieg er ab und rief den Frauen im Haus zu: »Auf der Straße
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