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Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake

Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake

Titel: Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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»Mach schon«, sagte sie. »Dann ist er glücklich.«
    »Wollt ihr die Leiche nicht sehen?«
    »Du machst wohl Witze«, sagte Jean.
    »Beeilt euch einfach«, fügte Barbara hinzu.
    Er drehte sich um und schritt langsam durch die Hotellobby. Als er zurückblickte, sah er Jean und Barbara hinausgehen.
    Er fühlte sich verlassen.
     
    Er wollte keine verdammte Leiche sehen.
    Trotzdem bewegten ihn seine wackeligen Beinen immer weiter vom Sonnenlicht weg.
    Unterhalb der Treppe war ein großes Stück der Verschalung gelöst und herausgerissen worden. Aus der Lücke schimmerte das Licht von Petes Taschenlampe. Larry schob sich seitlich durch die Öffnung in den Hohlraum hinein.
    »Ich dachte schon, du würdest kneifen«, sagte Pete.
    »So eine Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen.«
    Pete stand auf ein paar Brettern, die aus dem Absatz herausgebrochen waren. Er sah aus, als wäre er festgefroren, der Rücken steif, der rechte Arm mit der Taschenlampe ausgestreckt, fast als zielte er mit einer Pistole. Die Lampe war auf den Sarg gerichtet, der mit dem Kopfende voran unter einer der unteren Stufen klemmte.
    Der Körper im Sarg war bis zum Hals mit einer alten braunen Decke bedeckt. Die Decke war zerknittert, als hätte derjenige, der sie in den Sarg geworfen hatte, sich keine Mühe damit gegeben.
    Die Leiche hatte lange blonde Haare. Ihre Gesichtshaut wirkte straff und ledrig. Larry betrachtete die eingesunkenen Lider, die hohlen Wangen und die Lippen, die zu einem irren Grinsen verzogen waren und Zähne und Zahnfleisch entblößten.
    »Ist das zu glauben?«, flüsterte Pete.
    Larry schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist sie nicht echt.«
    »Blödsinn. Ich erkenne doch eine Leiche, wenn ich eine sehe.«
    »Sieht fast mumifiziert aus.«
    »Stimmt. Das sollten wir uns näher ansehen, oder?«
    Seite an Seite bewegten sie sich langsam vorwärts. Pete hielt die Lampe auf die Leiche gerichtet.
    Grauenhaft, dachte Larry. So etwas hatte er noch nie gesehen. Seine Erfahrung mit Toten beschränkte sich auf drei Beerdigungen, bei denen die Verstorbenen im offenen Sarg aufgebahrt gewesen waren. Sie hatten frisch genug ausgesehen, um sich jeden Moment aufrichten und seine Hand schütteln zu können.
    Diese Leiche hingegen sah aus, als würde sie sich aufrichten und ihn beißen wollen.
    Denk nicht an so etwas, sagte Larry sich.
    Je weiter sie gingen, desto weniger Platz war unter der Treppe. Sie mussten sich ducken, als sie sich dem Fußende des Sargs näherten. Pete ging in die Hocke und watschelte weiter. Larry bückte sich ebenfalls. Aber nach einem Schritt überkam ihn Erstickungsangst, und er blieb stehen. Die Stufen schienen ihn niederzudrücken, sein Gesicht auf die Leiche pressen zu wollen. Er sank auf die Knie und streckte die Hände aus, um sich am Rand des hölzernen Sargs abzustützen. Kurz bevor er den Sarg berührte, wurde ihm klar, was er da gerade tat. Er zuckte zurück und umklammerte seine Oberschenkel.
    Die Decke über dem Leichnam verhüllte weder Knöchel noch Füße. Sie waren nackt, hatten die Farbe von fleckigem Holz, und unter der dünnen Haut konnte man die Knochen erkennen. Die Nägel waren so lang, dass sie sich über den Zehen aufrollten. Angeblich wachsen Haare und Nägel nach dem Tod weiter, erinnerte sich Larry. Doch er hatte auch gehört, dass das ein Gerücht war; sie schienen nur zu wachsen, weil die Haut um sie herum einsank.
    »Ich wette, der liegt hier schon ziemlich lange«, flüsterte Pete. Er griff über die Kante des Sargs. Mit dem Zeigefinger strich er über die Stirn der Leiche.
    Larry stöhnte auf.
    »Stimmt was nicht?«
    »Wie kannst du das Ding bloß anfassen ?«
    »Ist doch nichts dabei. Probier es. Fühlt sich an wie Schuhleder.« Er fuhr mit dem Finger über eine blonde Augenbraue.
    Larry stellte sich vor, wie Petes Finger in die Augenhöhle rutschte, das Lid berührte, es eindrückte und bis zum zweiten Glied darin versank.
    »Los, fass an«, drängte Pete ihn. »Wie willst du darüber schreiben, wenn du es nicht selbst erlebt hast?«
    »Danke, aber ich verlasse mich lieber auf meine Fanta…«
    »Wir haben es uns anders überlegt.«
    Er zuckte zusammen, als er Barbaras Stimme hörte. Pete erging es genauso. Sein Kopf knallte gegen die Unterseite einer Stufe. Er schrie auf, duckte sich dicht über das Gesicht des Leichnams und fasste sich an den Hinterkopf. »Scheiße! Verdammt nochmal, Barb!«
    »Tut mir leid.«
    Larry blickte über seine Schulter zu den Frauen und lächelte.

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