Der pfeifende Mörder
telefoniere, höre ich praktisch nur: ›Wir tun unser Bestes.‹ Das geht nicht mehr so weiter, mein Lieber.«
Mit belegter Stimme, den Blick kaum vom Teppich erhebend, antwortete der Polizeichef: »Ich habe schon die besten Leute, über die wir im ganzen Land verfügen, nach Leeuwarden entsandt. Aber auch sie mußten bisher passen.«
»Passen?«
Dieser saloppe Ausdruck gefiel dem Innenminister sichtlich gar nicht. Der Polizeichef, dem der Ausdruck in seiner Verworrenheit herausgerutscht war, korrigierte sich deshalb rasch: »Auch ihnen gelang es bis zur Stunde nicht, den Täter zu fassen.«
Verächtlich verzog der Minister den Mund. »Den Täter zu fassen!« höhnte er. »Ich wäre ja schon froh und dankbar, wenn ihm die ein bißchen auf der Spur wären, so daß er es mit der Angst zu tun bekäme und sich veranlaßt sähe, einen längeren Stop einzulegen. Verstehen Sie, was ich meine? Das ganze Land ist ja schon hysterisch. Wir haben es mit einer Staatsaffäre zu tun. Die Polizei macht sich unaufhörlich lächerlich. Wohin soll das noch führen?«
»Mir ist auch klar, daß sich die Leute wieder irgendwie ein bißchen beruhigen müssen.«
»Wie denn? Das würde ich gerne von Ihnen hören!«
»Die besten Kriminalisten sind schon, wie gesagt, in Leeuwarden tätig. Außerdem steht das ganze Gebiet praktisch unter Ausnahmezustand. Die Polizeistreifen treten sich gegenseitig auf die Zehen. Das gilt auch für Groningen, Assen, Meppel und Zwolle, für die ganze Küste. Von Ylst, Franeker und Bolsward sind auf Rädern Beamte unterwegs, die jedes Pärchen, auf das sie stoßen, unter die Lupe nehmen. Im Rundfunk …«
»Wenn ich Sie richtig verstehe«, unterbrach der Minister den schwitzenden Polizeichef, »sind das doch alles Defensivmaßnahmen!«
»Sehe ich das richtig?« fragte er unbarmherzig, als der Polizeichef schwieg.
»Ja, Herr Minister.«
»Und wo bleibt die Offensive?«
»Momentan werden fieberhaft alle Bekannten des letzten Opfers, der Kellnerin Hendrikje Balder, vernommen, ob sie nicht doch jemandem gesagt hat, mit wem sie sich treffen will.«
»Anscheinend hat sie das nicht«, meinte skeptisch der Minister, einen Blick auf seine Akte werfend, aus der er sich informiert hatte.
»Außerdem suchen wir einen Hausierer bzw. Landstreicher, der in Harlingen übernachtete und Blut an seinem Jackenärmel hatte …«
»… und von dem die Personenbeschreibung, die vorliegt, ziemlich vage ist«, fiel der Minister ein. »Immerhin, gewisse Anhaltspunkte haben wir. Die Hauptsache ist aber, daß der Kreis, in dem wir suchen müssen, begrenzt ist. Es gibt keine Million Hausierer in Holland. Wir werden sie bis zum letzten Mann durchfilzen.«
»Wie lange mag das dauern?«
»Höchstens eine Woche.«
Der Minister gab zu erkennen, daß er den Rapport, zu dem er den Polizeichef hatte kommen lassen, beenden wollte. Um dem armen Mann aber noch einmal richtig Feuer unterm Hintern zu machen, sagte er abschließend: »Sollte alles wieder fehlschlagen, haben wir ja immer noch eine Möglichkeit. Wissen Sie, welche?«
»N…ein«, erwiderte zögernd der Polizeichef, der auf Arges gefaßt war, dessen schlimmste Erwartungen aber noch übertroffen wurde.
Der Minister sagte nämlich: »Diejenige, Scotland Yard um die Entsendung einiger Spezialisten zu bitten. Für die holländische Polizei wäre das allerdings eine Blamage ohnegleichen.«
Benommen entwich daraufhin der Polizeichef aus dem Zimmer des Ministers und wischte sich auf dem Korridor den Schweiß von der Stirn. Eine Etage tiefer erlaubte er sich die ersten leisen Flüche, die mit zunehmender Entfernung vom Ministerium immer lauter und wüster wurden, bis sie innerhalb der Wände seiner eigenen Dienststelle, nachdem er diese erreicht hatte, eine Lautstärke gewannen, mit der man im alten Jericho schon eine schlechte Erfahrung gemacht hatte. Das Gebrüll pflanzte sich fort bis zur Küste, erschütterte alle untergeordneten Polizeistationen und riß auch den armen Paul Leerdam aus dem Schlaf, der sich nach drei durchwachten Nächten für ein paar Stunden hingelegt hatte und fest und bleiern schlief, als ihn Wilm Schouwen wachrüttelte.
»Der Teufel ist los, Chef. Die haben in Den Haag durchgedreht. Wissen Sie, daß uns der Innenminister die Beiziehung Scotland Yards angedroht hat?«
»So?« brummte Leerdam. »Und wissen Sie, was ich dem Innenminister androhe?«
»Ja, das weiß ich.«
»Sie wissen es nicht!«
»Doch – daß er Sie kreuzweise kann!«
»Ganz
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