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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blieb sein suchender Finger liegen.
    Eine schöne alte Delfter Uhr schlug in der dunklen Ecke, die vom Schein der Stehlampe nicht erfaßt wurde. Der Mörder fühlte sich dadurch veranlaßt, auf seine Armbanduhr zu blicken, und er nickte dann vor sich hin. Wenn er nach Meppel wollte, war es an der Zeit, aufzubrechen.
    Er ging zu seinem großen Schreibtisch und entnahm ihm aus der linken Schublade eine neue rindslederne Aktentasche. Als er sie öffnete und in sie hineinblickte, blinkte kurz die Klinge eines kleinen, aber scharfen Beiles auf. Das Mordinstrument. Es wurde von ihm peinlich sauber gehalten. Nichts verachtete er mehr als Menschen, die nicht reinlich waren.
    Der Mörder vergewisserte sich, nachdem er die Schlösser der Tasche hatte zuschnappen lassen, durch ein kurzes Schütteln, daß die Tasche auch bestimmt zu war. Anschließend verließ er das Zimmer, schlüpfte in der Diele vor einem wertvollen geschliffenen Spiegel in einen langen grauen Wollmantel, nahm aus dem Kasten der Garderobe neue Schweinslederhandschuhe, zog diese aber noch nicht an, sondern fuhr sich mit dem Kamm noch einmal durch die dichten schwarzen Haare, setzte einen Hut auf und unterzog sich vor dem Spiegel mit sichtlichem Wohlgefallen einer abschließenden Gesamtprüfung.
    Er war eine attraktive Erscheinung, die auf Frauen wirkte. Aus den Augen sprach ein wenig Sentimentalität.
    Er mußte lachen und nickte seinem Spiegelbild zu.
    Dann verließ er sein Haus und stieg draußen in seinen schönen Wagen.
    Die Nachbarn winkten ihm zu, als er einstieg. Er winkte grüßend zurück. Dann zog er die Wagentür zu und warf zielsicher die Aktentasche mit dem Beil nach hinten auf den Rücksitz.
    Bei bester Stimmung startete er den Motor und steuerte sicher hinaus auf die Straße. Er fuhr durch das belebte Leeuwarden und erreichte die Chaussee nach Meppel.
    Bei Heerenveen stand ein Mädchen am Straßenrand. Es war ihr kalt. Sie hatte den Mantel eng um sich geschlungen und lief in der feuchten Nachtluft hin und her. Als sie in der Ferne die Scheinwerfer eines Autos größer werden sah, blieb sie stehen und blickte ihnen gespannt entgegen.
    Sanft hielt der Wagen. Das Mädchen trat an ihn heran und lächelte glücklich.
    »Schön, daß du da bist«, sagte sie zu dem Mann, der ausstieg und um den Kühler herumging, um ihr galant in den Wagen zu helfen.
    »Wartest du schon lange?« fragte er.
    »Eine Viertelstunde.«
    »Aber wir waren erst für jetzt verabredet«, meinte er bedauernd.
    »Ich konnte es kaum mehr erwarten«, lächelte sie verliebt, »und bin deshalb schon viel zu früh von zu Hause weg.«
    »Hast du jemandem gesagt, wohin?«
    »Nein.«
    »Und mit wem?«
    »Nein, du hattest mich doch gebeten, daß das vorläufig unser Geheimnis bleiben soll.«
    Und das wird es auch bleiben, dachte er. Nicht nur vorläufig, sondern ewig.
    »Wohin fahren wir?« fragte sie ihn, als er Gas gab.
    »Ich dachte mir, vorerst nach Meppel ins Kino, Hendrikje. Die spielen da einen tollen Liebesfilm, gerade das richtige für uns beide. Nach der Vorstellen werden wir sehen …«
    »Ein Liebesfilm?« freute sie sich.
    »Ja«, wiederholte er. »Gerade das richtige für uns.«
    Sie nickte selig, und er hätte es sich deshalb schenken können, sie zu fragen, ob sie das nicht auch finde. Doch er tat es.
    »Findest du nicht auch, Hendrikje, daß das das richtige ist?«
    »Aber sicher!« rief sie glücklich und beugte sich hinüber zu ihm, um ihm einen Kuß auf die Wange zu drücken.
    Am nächsten Morgen wurde Hendrikje Balder, 23 Jahre alt und von Beruf Kellnerin in einem Ausflugslokal bei Joure, gefunden.
    Sie lag im Ufersand bei Ternaard. Das Meer umspülte ihren Leib und Kopf, der durch einen Beilhieb in den Nacken fast völlig vom Rumpf getrennt war.
    Im Innenministerium von Den Haag, Hollands Hauptstadt, saß dem Minister der oberste Polizeichef des Landes gegenüber.
    Die Herren rauchten. Sie taten das aber durchaus nicht mit Genuß, denn der Gegenstand ihres Gespräches war alles andere als angenehm. Vor dem Minister lag eine dickte Akte, in die er jedoch gar nicht mehr hineinschauen mußte, um sich für das, worüber zu reden war, zu präparieren. Der Polizeichef wich dem Blick des Ministers aus. Er starrte auf den Teppich und begann aus Verzweiflung, die Muster zu zählen.
    »Sechs Morde«, sagte der Minister mit kalter Stimme, »von ein und demselben! Innerhalb von Tagen, zuletzt fast nur noch von Stunden! Und so oft ich mit Ihrem Mann in Leeuwarden, diesem Leerdam,

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