Der pfeifende Mörder
Fenster hinauswerfen zu können.«
»Sie waren also um die Zeit allein, als Maria Steufels ermordet wurde?«
Peer van Hoest beherrschte sich sehr, um nicht loszubrüllen. Mit erzwungener Ruhe erwiderte er: »Ich war auf See. Ich habe meine Fangbücher, in denen steht alles drin.«
»Und wie war es in der Nacht, in der Ruth Kappel ermordet wurde? Waren Sie da auch allein?«
»Das wissen Sie doch, was ich da war!«
»So? Woher soll ich das wissen?«
»Aus Ihren Akten, in denen es längst enthalten ist.«
Kommissär Leerdam merkte, daß ihm vor lauter Jagdfieber ein peinlicher Fehler unterlaufen war. Natürlich, jetzt erinnerte er sich, daß Peer van Hoest zusammen mit seinem Gehilfen den Rumpf der ermordeten Ruth Kappel aus dem Wasser geholt hatte. Der Schnitzer wurmte den Kommissär sehr. Noch unangenehmer als vor dem Fischer war er ihm vor Schouwen. Er stellte deshalb nur noch zwei, drei völlig belanglose Fragen und brach dann das Verhör ab. Als er ging, zusammen mit Schouwen, ähnelte das mehr einem Rückzug als einem gewöhnlichen Abschied.
»Eines schwöre ich Ihnen!« rief ihm der Fischer nach. »Leichnam kriegen Sie von mir keinen mehr geliefert!«
Das war also das ganz und gar nicht erfreuliche Ergebnis der Veranstaltung.
Draußen konnte es sich Schouwen nicht verkneifen zu sagen: »Das war eine Pleite, Chef.«
»Mag ja sein«, gab Leerdam widerstrebend zu, »daß der eine reine Weste hat. Aber vielleicht stießen wir hier doch auf etwas Wichtiges.«
»Auf was?«
»Auf Jan Sehlke.«
Schouwen nickte.
»Das, was wir über den hörten«, sagte er, »machte mich allerdings auch stutzig.«
»Der ist doch bei seiner Firma nur mit dem Export befaßt, er hat also mit dem Einkauf gar nichts zu tun. Wie kommt er trotzdem dazu, dafür zu sorgen, daß van Hoest seinen Fang los wird?«
Schouwen entwickelte eine Theorie, die gewiß halsbrecherisch war, aber Kriminalfälle, besonders schwierige, haben es nun mal an sich, daß sie halsbrecherische Theorien herausfordern können.
»Vielleicht«, sagte der Assistent, »fühlte der sich dazu verpflichtet.«
»Wieso verpflichtet?«
»Gesetzt den Fall, er hat Ruth Kappel, die seine Liebe verschmähte, ermordet, dann war es doch auf ihn zurückzuführen, daß es der Fischer van Hoest mit Absatzschwierigkeiten zu tun bekam. Die Leute wollten dem nichts mehr abkaufen.«
»Weil sich in seinem Netz eine Leiche fand, ja.«
»Noch dazu eine ohne Kopf. Im Grunde sollte so etwas zwar keine Rolle spielen, aber es tut es dennoch. Das Ganze wird dadurch noch schauriger. Die Leute sind nun mal so.«
»Jedenfalls hatte van Hoest plötzlich keine Kunden mehr.«
»Woraufhin er sich, sagen Sie, verpflichtet fühlte, sich einzuschalten. Wieso, frage ich Sie noch einmal.«
»Weil er nicht wollte, daß dem Fischer durch ihn ein Schaden entstand.«
Leerdam schnitt eine Grimasse.
»Aha«, sagte er. »Ein Mörder mit sozialer Einstellung.«
»Warum nicht, Chef? Der Kerl, den wir suchen, ist abartig veranlagt. Seine Morde haben dicksten Zusammenhang mit Sexualität, mit Frauen also, jungen Frauen. Allen übrigen Menschen kann er mit ganz normalen Empfindungen gegenüberstehen. Ein kleiner Fischer wie Peer van Hoest steht ständig im harten Existenzkampf, den ihm noch mehr zu erschweren diesem Frauenmörder nicht gefällt. Halten Sie das für völlig ausgeschlossen, Chef?« Leerdam wiegte den Kopf.
»Wilm, dann hätte Sehlke aber – wenn er der ist, hinter dem wir her sind, den Fehler gemacht, nach dem wir so lange vergeblich Ausschau gehalten haben.«
»Ganz recht, Chef.«
»Einen haarsträubend dummen Fehler.«
»Den klügsten Verbrechern passiert das immer wieder. Gerade Sie sind derjenige, welcher nicht müde wird, mir das zu sagen, Chef.«
»Sehlke«, sprach der Kommissär nachdenklich vor sich hin, als halte er sich den Mann, von dem er redete, vor Augen, »sieht gut aus, ist jung, kann einem Mädchen schon den Kopf verdrehen. Alles Merkmale, die auf den unbekannten Mörder zutreffen …«
»Nicht zu vergessen das wichtigste Merkmal, Chef.«
»Welches?«
»Daß er pfeifen kann.«
»Kann er das?«
»Wer kann das nicht?«
»Wir müssen es ihm, wenn wir ihn uns noch einmal näher ansehen, trotzdem nachweisen.«
»Sehen wir ihn uns denn noch einmal näher an, Chef?«
»Ich denke schon. Warum glauben Sie denn, daß ich angefangen habe, mich mit Ihnen über ihn zu unterhalten? Weil ich Verdacht geschöpft habe.«
Leerdam knöpfte den Mantel zu und stieg auf der
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