Der Pfeil der Rache
beiden gerieten aneinander, wie es unter Knaben üblich ist. Doch mittlerweile sind sie unzertrennlich.«
»Hattet Ihr gehofft, Emma mit David zu vermählen? In diesem Falle wäre Emmas Erbe ihrem Ehemann zugefallen.«
»Natürlich hatten wir dergleichen in Betracht gezogen, wollten es aber den Kindern überlassen.«
»Habt Ihr für Hugh und David wieder einen Erzieher gefunden?«
»Wir hatten mehrere Tutoren, bis voriges Jahr.« Er lächelte verlegen. »Sie waren allesamt gute Bogenschützen. Hugh hatte inzwischen seine Neigung für diese Kunst entdeckt, und David tat es ihm gleich.«
»Mehrere Erzieher? Wie viele?«
»Vier, glaube ich.«
»In fünf Jahren? Donnerwetter!«
»Sie waren nicht immer zu unserer Zufriedenheit. Einige Hauslehrer sehen in ihrer Tätigkeit einen Notbehelf, keine Berufung.«
»Im Gegensatz zu Michael Calfhill.«
»Vielleicht hatte er seine Gründe«, keifte Dyrick giftig.
»Und David ist beileibe kein einfacher Schüler.« Wieder diese Traurigkeit in Hobbeys Gesicht. »Der letzte war ein trefflicher Lehrer, doch er verließ uns, um Italien zu bereisen. Das war freilich vor Beginn des Krieges.«
»Darf ich ihre Namen erfahren?«, fragte ich.
»Wenn Ihr es wünscht. Obwohl ich nicht weiß, wo sie sich derzeit aufhalten.«
»Kommen wir zur Gegenwart. Es ist doch gewiss an der Zeit, dass die Knaben ein Studium oder eine Lehre in Erwägung ziehen.«
»Ich brauche David hier bei mir, er soll lernen, ein Gut zu führen. Was Hugh anbelangt, so hat er das Zeug zum Gelehrten, er liebt Bücher. Dennoch hegt er den kindischen Wunsch, zu den Soldaten zu gehen. Also behalte ich ihn hier, bis die Gefahr vorüber ist. Klingt das nicht vernünftig, Master Shardlake?«
»Ihr werdet Master Hobbey doch wohl beipflichten, dass dies nur zu Hughs Bestem ist«, warf Dyrick ein.
»Vielleicht.« Nach kurzer Pause fuhr ich fort: »Master Hobbey, Ihr habt letzte Nacht bei Tisch erzählt, wie Michael Calfhill zu Ostern unvermutet hier auftauchte. Könntet Ihr mir noch einmal schildern, was damals geschah, diesmal für die Akten?«
Hobbey wiederholte die Geschichte von Michaels Erscheinen auf dem alten Friedhof und wie er Hugh beteuert hatte, er liebe ihn mehr als jeden anderen. Ich hatte gehofft, Hobbey möge sich verhaspeln, einen Satz äußern, der nicht mit seinen Worten von letzter Nacht übereinstimmte. Doch entweder sagte er die Wahrheit, oder er war von Dyrick gut angewiesen worden.
»Wie oft müssen wir uns diese unappetitliche Episode denn noch anhören?«, fragte Dyrick, als Hobbey zu Ende gesprochen hatte.
»Noch eines, Master Hobbey. Ihr sagtet, Ihr hättet in Hughs Waldland Bäume schlagen lassen und verkauft.«
Hobbey breitete die Arme aus. »Ich wäre ein schlechter Wahrer seiner Interessen, wenn es anders wäre. Wegen des Bedarfs an Stämmen für den Schiffsbau und an Holzkohle für die Eisenverhüttung in Sussex sind die Preise so hoch wie noch nie.« Wieder die Eisenwerke in Sussex, dachte ich. »Ich lasse auch einen Teil meiner eigenen Wälder schlagen. Hier lässt sich ansonsten wenig Gewinn erzielen. Der Pachtzins, den mir die Bauern und einige Kötter in den Wäldern zahlen, beläuft sich auf knapp 70 Pfund im Jahr, die angesichts der gestiegenen Preise ohnehin immer weniger wert sind. Ihr habt meine Bücher gesehen.«
»So ist es. Und ich würde gern durch Hughs Waldland reiten, ehe wir am Freitag Sir Quentin Priddis aufsuchen.«
»Bitte sehr. Aber es ist ein großes Gebiet, erstreckt sich über mehrere Meilen. Am äußeren Rand werden Bäume geschlagen, doch tief im Innern wuchert noch alles wild, lässt sich kaum durchdringen.«
Dyrick lachte. »Dass Ihr uns nicht abhandenkommt, Bruder. Sonst muss sich Mistress Calfhill nach einem neuen Rechtsbeistand umsehen.«
»Keine Sorge.« Ich tat es Hobbey gleich und verlieh meiner Stimme einen einschmeichelnden Schmelz. »Danke, Sir, das ist vorerst alles.«
Dyrick merkte auf. »Vorerst? Ihr dürft nicht beliebig viele Fragen stellen.«
»Ich frage nur, wenn sich etwas Neues ergibt.« Ich lächelte. »Und jetzt würde ich gern Euren Steward sprechen, mit Verlaub.«
»Gewiss. Fulstowe ist bei der Hundemeute, überwacht die Fütterung.« Hobbey warf einen Blick auf das Stundenglas, dessen Sand noch immer rieselte.
»Ich werde ihn holen«, sagte ich. »Ich könnte ein wenig frische Luft gebrauchen. Barak, komm mit. Hughs Wälder werde ich mir morgen ansehen.«
* * *
Wir traten hinaus in den frischen Morgen. Ein Pfau spreizte
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