Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
Vom Netzwerk:
Fährtensucher, der schleicht wie ein Fuchs. Aus ihm wird einmal ein guter Jägersmann.« Er lächelte. »Ihr solltet ihn bitten, Euch sein Herzkreuz zu zeigen.«
    Ich machte große Augen. »Was ist das?«
    »Es ist das Knochenstück, das dem Herzen eines Hirsches am nächsten ist«, erklärte Fulstowe. »Master Hugh ging im vorigen Jahr bei einem benachbarten Gutsherren auf die Jagd und erlegte einen Hirsch.«
    Avery lächelte. »Kennt Ihr denn die Sitte nicht, Sir, nach welcher das Herzkreuz dem Glücklichen gebührt, der das Wild erlegt hat?«
    »Ich fürchte, ich bin ein Stadtmensch.«
    »Man spricht ihm große Heilkräfte zu.«
    »Hugh trägt ihn in einem Beutelchen um den Hals.«
    Fulstowe rümpfte leicht die Nase. Ich dachte an Emmas Kreuz um meinen Hals. Und holte tief Luft.
    »Master Fulstowe, wir würden nun gern Eure Aussage zu Papier bringen.«
    »Sehr wohl.« Er presste die Lippen aufeinander.
    * * *
    Der Steward sagte kein Wort mehr, als wir zum Haus zurückgingen. Unweit der Stallungen ritten David und Hugh an uns vorüber. Ein jeder trug einen ledernen Handschuh, auf dem, eine Kapuze über den Augen, ein Hühnerhabicht saß. Die Sonne ließ die Narben auf Hughs Gesicht stärker hervortreten, und ich blickte beiseite. Beide Knaben musterten neugierig meine Sergeantenrobe, und David lachte höhnisch auf. Hugh zog das Barett, ehe er zum Tor hinausritt.
    Wir betraten Hobbeys Studierzimmer. In Fulstowes Gesicht zeigte sich Erleichterung, als er Dyrick erblickte. Hobbey war gegangen. »Guten Morgen, Herr Steward«, sagte Dyrick fröhlich. »Keine Sorge, ich will schon dafür sorgen, dass Bruder Shardlake nicht vom Thema abweicht.« Er drehte das Stundenglas herum, und wieder fing der Sand an zu rieseln. Fulstowe ließ sich nieder und sah mich ebenso unverwandt an wie vorhin sein Herr.
    »Nun, Fulstowe«, begann ich leichthin, »jetzt erzählt mir, wie Ihr der Steward von Master Hobbey wurdet.«
    »Ich war schon in London sein Steward. Bevor Master Hobbey sich hier niederließ.«
    »Um Herr eines Gutes zu werden.«
    »Es gibt keine ehrenwertere Pflicht in England.« Ein Hauch Trotz schwang in Fulstowes Stimme.
    »Ihr erinnert Euch gewiss an die Zeit vor sechs Jahren, als Master Hobbey in London die Vormundschaft für Hugh und seine Schwester übernommen hatte und die beiden sowie ihren Hauslehrer Master Calfhill zu sich nahm.«
    »O ja. Meine Herrschaft behandelte die armen Kinder wie ihr eigen Fleisch und Blut.«
    Fulstowes Treue war unerschütterlich, so viel stand fest. Es gelang mir nicht, ihn aus der Reserve zu locken. Ich befragte ihn zwanzig Minuten lang, und in seinen Erinnerungen hallten jene seines Herrn wider. Hugh und Emma seien einander sehr zugetan gewesen, sagte auch er, und hätten ansonsten niemanden an sich herangelassen. Er erinnerte sich angeblich kaum an Michael Calfhill, behauptete nur, Michael habe sich vom übrigen Personal abgesondert. Nur ein einziges Mal bekam seine Unerschütterlichkeit einen Riss, nämlich als ich ihn zu den Pocken befragte. »Die drei wurden gleichzeitig krank«, sagte er. »Sie waren wohl gemeinsam draußen gewesen und hatten sich an derselben Person angesteckt, die Seuche ging ja damals um in London.« Ein Zittern erfasste seine Stimme. »Ich weiß noch, wie Mistress Abigail sagte, dass alle drei Kinder Kopfschmerzen hätten und sich so müde fühlten, dass sie sich kaum noch regen konnten. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte.«
    »Habt Ihr geholfen, sie zu pflegen?«
    »Ich trug Wasser und sauberes Bettzeug hinauf zu ihnen. Die übrigen Bediensteten hatten zu viel Angst, um zu helfen. Der Arzt sagte, man solle sie in rote Tücher wickeln, um die bösen Säfte herauszuziehen. Ich weiß noch, dass man mich ausschickte, nach roten Tüchern zu suchen, wie jedermann damals.«
    »Mistress Hobbey soll darauf bestanden haben, David selbst zu pflegen?«
    »O ja. Obwohl sie auch Hugh und Emma unentwegt besuchte. Meine Herrin ist nicht mehr dieselbe, seit Emma starb.«
    »Und nach diesem Ereignis wurde Michael aus dem Dienst entlassen«, stellte ich fest.
    »Mein Herr wollte ihn nicht mehr in Master Hughs Nähe dulden«, antwortete Fulstowe. »Ihr müsst ihn nach dem Grund fragen.« Er legte vielsagend den Kopf schräg.
    »Wie viel habt Ihr jetzt mit Hugh zu schaffen?«
    »Die meiste Zeit bin ich mit Master David beschäftigt. Ich versuche, ihm die Buchführung nahezubringen.« Eine undankbare Pflicht, wie sein Tonfall indizierte. »Doch ich kümmere mich um die

Weitere Kostenlose Bücher