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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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nicht mehr ertragen.« Abigail klang völlig erschöpft. »Und Dyrick, dieser zähnefletschende Köter, ist abstoßend. Und ich bin immer noch gegen diese Jagd.«
    »Weib, ich kann diese Abgeschiedenheit nicht länger ertragen«, erwiderte Hobbey voller Zorn. »Ich sage es dir doch, hier sind wir sicher.«
    »Wir sind niemals sicher.«
    Ich erschrak, als ein kleiner Kopf am Fuße des Türstocks auftauchte. Lamkin kam schwanzwedelnd zu mir heraus. Ich kehrte rasch in mein Zimmer zurück und schloss leise die Tür vor dem Hündchen.
    * * *
    Obschon die von den Knaben erlegten Vögel in üppigen Soßen aus der Hobbey’schen Küche serviert wurden, war es ein elendes Nachtmahl. Abigail kam als Letzte, bleich und noch immer nicht von ihrem Kopfweh genesen. Als sie eintrat, verneigte sich Fulstowe, der sich wieder hinter Hobbeys Stuhl postiert hatte. Dyrick und ich erhoben uns und Hobbey ebenso, doch weder Hugh noch David machten Anstalten, sich für sie zu erheben. Es war eine Kränkung der Hausherrin, doch diese schien es kaum zu bemerken. Sie hatte sich heute wenig Mühe gegeben mit ihrem Erscheinungsbild, und das lange, graublonde Haar hing ihr lose aus der Haube. Sie sagte nichts während der Mahlzeit, stocherte stumm in ihrem Essen herum und zuckte beim Klappern der Teller zusammen. Hobbey verwickelte Dyrick in ein Gespräch über den Umbau des Klosters. Er versuchte, David in die Unterhaltung mit einzubeziehen, doch der Knabe zeigte keinerlei Interesse an dem Haus. Ich sah, wie Hobbey ihn liebevoll und bekümmert zugleich betrachtete. Hugh saß mir gegenüber. Ich nahm die Gelegenheit wahr, beugte mich zu ihm vor und sagte leise: »Es tut mir leid, wenn meine Fragen traurige Erinnerungen in Euch weckten, Master Hugh. Wir Anwälte müssen unangenehme Fragen stellen, es ist nun einmal unser Los.«
    »Ich verstehe schon, Master Shardlake«, sagte er traurig. Nach einigem Zögern fügte er hinzu: »Ich versprach, Euch meine Ausgabe des
Toxophilus
zu zeigen. Ich werde ihn auf Euer Zimmer bringen lassen. Es würde mich interessieren, wie Ihr darüber denkt.«
    »Danke. Sehr freundlich.«
    Ich sah, dass David uns belauscht hatte, bemerkte einen seltsamen Ausdruck in seinen groben Zügen. Er erhaschte meinen Blick und sagte laut: »Habt Ihr mit Eurem Gehilfen einen Spaziergang ins Dorf unternommen, Master Shardlake?«
    »Ja.«
    Hobbey sah mich forschend an.
    »Vermutlich habt Ihr auch mit einem der großmäuligen Bauerntölpel gesprochen?«, fragte David auflachend.
    »Wir waren nur spazieren.«
    Ursula, die alte Magd, war gerade im Begriff gewesen, einen leeren Teller aufzunehmen, als David sich jäh zurücklehnte und mit der Schulter an ihren Arm stieß, dass ihr der Teller lärmend auf den Tisch zurückfiel. Abigail heulte auf und hielt sich die Ohren zu. »So pass doch auf, du Trampel!«, kreischte sie.
    »Abigail«, mahnte Nicholas. Ein schadenfrohes Grinsen huschte über Fulstowes Gesicht, das er augenblicklich unterdrückte. Mit einem wilden Zornesfunkeln gegen ihren Gemahl erhob sich Abigail und verließ den Saal.
    »Es tut mir leid«, sagte Nicholas still, »doch meine Gemahlin ist heute etwas unwohl.«
    Ich betrachtete die beiden jungen Burschen. Hughs Gesicht war wieder ausdruckslos. David sah geknickt drein.
    * * *
    Hinterher begab ich mich in Baraks Quartier. Die Dämmerung war hereingebrochen, warf lange Schatten über die Grasflächen und tauchte die alten Gemäuer in ein warmes, weiches Licht. Barak war in seinem Zimmer und las immer wieder Tamasins Brief. Wir begaben uns vor die Tür. Lamkin lag auf dem Rücken und döste unter einem Baum. Wir gingen an den Zielhügeln vorbei und über den kleinen Friedhof. Er war vollständig überwuchert. Ich bemerkte einen Fleck Farbe zwischen dem Grün. Jemand hatte Blumen vor einem der Grabsteine abgelegt. Schwester Jane Samuel, 1462–1536.
    »Wahrscheinlich eine der Letzten, die hier starben«, sagte ich. »Von wem wohl die Blumen stammen?«
    »Von der alten Ursula?«, schlug Barak vor. »Das wäre Hobbey gewiss nicht recht.«
    »Nein. Hör zu. Ich habe vorhin etwas belauscht.« Ich erzählte ihm von dem Gespräch der Eheleute. »Abigail hat Angst, sie sagte, Hobbey und sie wären nirgendwo sicher. Und warum fürchtet sie sich vor der Jagdgesellschaft?«
    »Habt Ihr Euch auch nicht verhört?«
    »Aber nein. Ich muss herausfinden, was hier vor sich geht«, sagte ich mit Nachdruck. »Schon der Königin zuliebe.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ihr und Eure Königin. Ich

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