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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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knurrte und riss an der Leine. »Still, Ajax.«
    Feaveryear betrachtete fasziniert das gefleckte Federkleid des Vogels, den Hugh am ausgestreckten Arm hielt. Der Habicht beäugte uns wild, wobei die Glöckchen am ledernen Riemen klingelten, der ihn an Hughs behandschuhte Rechte band. Hugh strich ihm mit der anderen Hand leicht über den Rücken. »Still, Jenny, still.« David hatte sich eine Tasche um die Schulter geschlungen, aus der ein wenig Blut tropfte.
    »Gute Beute?«, fragte ich ihn.
    »Ein Paar fette Ringeltauben und drei Fasane. Wir haben die Täubchen im Flug erwischt«, fügte er eindrucksvoll hinzu, und seine groben Züge hellten sich auf. »Ein trefflicher Genuss zum Nachtmahl, nicht wahr, Hugh?« David Hobbey wirkte sehr jung für seine knapp achtzehn Jahre, und ich musste an die Dorfleute denken, die von seinem kindischen Gebaren gesprochen hatten. »Es wären vier gewesen, hätte unser Ajax den einen Vogel nicht halb aufgefressen«, sagte Hugh.
    Feaveryear streckte die Hand nach Hughs Vogel aus. Er lächelte, blickte staunend auf das Tier vor ihm.
    »Nicht zu nah, Master Feaveryear«, warnte Hugh. »Sie duldet nur mich.« Der Habicht schlug mit den Flügeln und kreischte, und Feaveryear sprang hastig zurück. Dabei geriet er ins Stolpern und ruderte mit den dünnen Armen, um nicht hinzuschlagen.
    David musste schallend lachen. »Ihr seht aus wie eine Vogelscheuche, in die der Wind gefahren ist, Schreiber.«
    Hugh faltete sanft die ausgebreiteten Schwingen des Vogels. Mit der freien Hand zog er eine lederne Kapuze aus dem Wams und legte sie dem Vogel über den Kopf.
    Feaveryears Interesse war ungebrochen. »Habt Ihr den Vogel selbst aufgezogen, Master Hugh?«
    »Nein.« Hugh maß Feaveryear mit seinem kühlen, unergründlichen Blick. »Der Vogel wird von einem Falkner aufgezogen. Als Küken werden ihm die Augenlider zusammengenäht, damit er blind ist und von seinem Menschen abhängig, was das Futter anbelangt. Ist er dann ein Jahr alt, werden ihm die Augen geöffnet, und man kann ihn für die Jagd abrichten.«
    »Das ist aber grausam.«
    David schlug Feaveryear auf die Schulter und stieß ihn fast um. »Ihr wisst nicht viel über die Sitten auf dem Lande, was?«
    Hugh wandte sich mir zu, wieder reserviert: »Ihr wollt mir Fragen stellen, ist es nicht so, Master Shardlake?«
    »In der Tat. Feaveryear, holt Euren Herrn, dann können wir beginnen.«
    »Wir setzen vorher noch die Vögel auf ihre Stangen«, sagte Hugh, »und schaffen die Windhunde fort. Mistress Abigail duldet sie nicht in der Nähe des Hauses.« Wieder diese kalte, förmliche Anrede. Die Jungen begaben sich zu den Wirtschaftsgebäuden, und Feaveryear ging ins Haus.
    »Dieser David ist ein Spötter«, sagte Barak. »Jemand sollte ihm einmal gründlich den Hintern versohlen.«
    »Er ist kindisch und nicht sonderlich gescheit. Dennoch ruhen alle Hoffnungen des Vaters auf ihm. Was Hugh anbelangt – er hat die Kindheit längst hinter sich gelassen. Gleich werden wir sehen, warum dem so ist.«
    * * *
    Als wir in Hobbeys Studierzimmer anlangten, waren Dyrick und Feaveryear bereits dort. Einige Minuten später kam Hugh herein, zuversichtlich, beinahe spöttisch. Das nachmittägliche Sonnenlicht brachte die Narben auf seinem Gesicht und dem Hals besonders deutlich zum Vorschein. Ich blickte beiseite, da ich an Bess’ Bemerkung über seine zerstörte Schönheit denken musste. Es war nicht ganz so schlimm, aber doch schlimm genug.
    »Bitte setzt Euch, Master Hugh«, sagte Dyrick. Er griff nach dem Stundenglas und stellte es auf den Kopf. »Um den zeitlichen Aufwand festzustellen, für die Rechnung«, erklärte er mit kaltem Lächeln. Hugh setzte sich und sah mich an, die schlanken, langgliedrigen Hände ruhten im Schoße. Ich sah, dass Feaveryear verlegen dreinblickte.
    »Ich halte es für das Beste, wenn wir gleich auf den Punkt kommen«, fing ich an. »Anstatt wie die Katze um den heißen Brei herumzureden.«
    »Ich danke Euch.«
    »Wir sind hier, weil Michael Calfhill, Gott hab ihn selig, Anzeige erstattet hat. Er meinte herausgefunden zu haben, dass Euch ein schändliches Unrecht geschieht. Habt Ihr eine Vorstellung, was er damit gemeint haben könnte?«
    Er sah mir geradewegs in die Augen. »Nein, Sir.«
    Ein triumphierendes Lächeln huschte über Dyricks Gesicht. »Nun gut«, sagte ich, »was geschah, nachdem Master Hobbey die Vormundschaft für Euch und Eure Schwester erhalten hatte? Könnt Ihr Euch daran erinnern?«
    »Kaum. Wir

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