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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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unterwürfig. »Sir, dürfen wir uns die Schiffe im Hafen aus der Nähe ansehen?«
    »Ja, bitte Vater«, stimmte David eifrig zu.
    Hobbey blickte ihn nachsichtig an. »Meinetwegen.«
    Wir nahmen eine Abzweigung und hielten auf das Wasser zu, näherten uns einer großen Werft, wo viele Dutzend Männer bei der Arbeit waren. Es gab mehrere hölzerne Ladebäume und eine Anzahl niedriger Bauten, darunter eine lange, schmale Konstruktion, die ich als Reiferbahn erkannte, auf welcher dicke Taue gedreht werden konnten, einige Dutzend Fuß lang, wenn nötig. Lange Baumstämme lagen aufgestapelt, und Zimmerleute waren damit beschäftigt, Bretter in unterschiedliche Formen zu zersägen. Ein kleines Schiff stand auf einem Schlammbett, das in das Ufer geschnitten war, von dicken Pfählen gestützt. Männer mühten sich, es auszubessern. Unentwegt wurde gehämmert.
    Südlich der Werft verließen wir die Straße und zügelten die Pferde neben einem Streifen Watt, welcher uns von der See trennte, von der eine willkommene Brise herüberwehte. Ein salziger, fauliger Geruch schlug uns entgegen, der Schlamm war mit grünem Seegras überzogen. Hier hatten wir die Schiffe im Wasser gut im Blick. Acht der Galeassen, sechzig Fuß lang und eine jede mit einem eisernen Sturmbock am Bug sowie mehreren Kanonen ausgestattet, die aus den Geschützpforten an den Seiten ragten, glitten trotz der kastenförmigen Gestalt geschmeidig durch die ruhigen, blaugrünen Fluten. Sie benutzten sowohl Segel wie Ruder. Ich hörte den regelmäßigen Schlag der Trommeln, der den Ruderleuten den Takt vorgab. Sie kamen beachtlich schnell voran. Wir zuckten zusammen, als eines der Schiffe die Kanonen abfeuerte, wobei aus ihren Rohren schwarze Wölkchen aufstiegen, gefolgt von widerhallenden Donnerschlägen. Alsdann wendete es mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
    Dyrick betrachtete es mit ängstlicher Miene. Hugh meinte mit spöttischem Lachen: »Keine Bange, Sir, sie üben nur. Es sind keine Kugeln in den Rohren. Ihr müsst keine Angst haben.« Dyrick warf ihm einen wütenden Blick zu.
    »Es ist ihre Wendigkeit, die sie so gefährlich macht«, sagte Hugh voller Stolz.
    Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die vier großen Kriegsschiffe, die in einigem Abstand voneinander im Hafen vor Anker lagen. Ihre Segel waren gerefft, und sie schaukelten sanft auf dem ruhigen Wasser. Sie waren gewaltig, wie schwimmende Schlösser, und ließen die Galeassen zwergenhaft klein erscheinen. Ein großes Ruderboot war an jedes Heck gebunden, wohl um Männer und Proviant vom Ufer zu holen. Es war ein außergewöhnlicher Anblick, der sich nur wenigen bot. Die Kriegsschiffe mit ihren klaren Linien und der vollkommenen Balance auf dem Wasser waren wunderschön. Die Seiten der hochaufragenden Kastelle an Bug und Heck wie auch die Mitteldecks waren bunt bemalt, wobei die Farben der Tudors, Grün und Weiß, den Ton angaben. Ein jedes Schiff verfügte über vier hohe Masten, wobei der höchste etwa einhundertundfünfzig Fuß hoch in die Luft ragte. An der Spitze waren die Fahnen Englands und der Tudors angebracht. Beim Anblick des mächtigsten Kriegsschiffes wurde es mir schwindelig; vermutlich war es die
Great Harry
, das Flaggschiff des Königs. Eine gewaltige Fahne mit dem königlichen Wappen wehte vom Achterdeck. Ich sah kleine Gestalten auf den Decks hin und her eilen und weitere, ameisenklein, im Takelwerk herumklettern. Hoch oben an den Masten standen in kleinen, runden Nestern weitere Männer.
    David sagte: »Das da oben sind die sogenannten Krähennester. Der Platz für die Bogenschützen.«
    Selbst auf diese Entfernung hin und obwohl ich zu Pferde saß, musste ich den Hals recken, um die Mastspitzen zu sehen. Viele hundert Möwen kreisten zwischen den Schiffen und stießen dabei ihre lauten, traurigen Schreie aus.
    »Dass Menschen dergleichen hervorzubringen imstande sind«, staunte Hugh.
    Zwei der Galeassen näherten sich der
Great Harry
. Mit bemerkenswerter Geschwindigkeit drehten sie bei, wobei die Ruder nahezu stillstanden. Die Trommeln verstummten. Sie hielten die Position, als wollten sie dem großen Schiff eine Breitseite verpassen, dann setzten die Trommeln wieder ein; die Galeassen wendeten und schossen auf die Hafenmündung zu. Andere Galeassen vollführten dieselben flinken Manöver mit den anderen Schiffen. Sie bereiten sich auf die Ankunft der französischen Kriegsschiffe vor, dachte ich.
    David deutete aufgeregt auf das zweitgrößte Schiff. Es lag uns am nächsten,

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