Der Pfeil der Rache
des Hügels hinab. Vor uns rumpelten zwei mit langen Stämmen beladene Ochsenkarren mühsam den steilen Weg hinunter. Wir kämen nicht ohne Gefahr an ihnen vorbei, also zügelten wir die Pferde und folgten den Wagen. Ich hörte das Getrappel von Hufen und blickte mich um. Feaveryears Pferd war gestrauchelt und hätte ihn fast aus dem Sattel geworfen. »Ungeschickter Tölpel!«, fuhr Dyrick ihn an. »Hätte ich gewusst, dass du nicht anständig reiten kannst, hätte ich dich zu Hause gelassen.«
»Es tut mir leid«, murmelte Feaveryear. Ich sah mich nach ihm um, wünschte, er würde Dyrick nur ein einziges Mal Paroli bieten.
Hobbey blickte auf die Felder von Portsea Island unter uns. »Fruchtbares Ackerland, David«, sagte er zu seinem Sohn. Den schien es nicht zu kümmern. Wie Hugh hatte er nur Augen für die Schiffe, ferne Flecken im Hafen, die allmählich größer wurden.
Ich sagte zu Hobbey: »Porchester Castle dünkt mich sehr groß, aber innerhalb der Mauer gibt es nur wenige Bauwerke.«
»Es stammt noch von den Römern, so bauten sie ihre Kastelle. Es diente der Verteidigung von Portsmouth Haven, bis dieser Hafen aufgrund der Verschlammung im oberen Teil ins Abseits geriet.«
Ich blickte auf die Insel Portsea hinunter und ihren Flickenteppich aus Feldern, die unbeackerten Wiesen voller Kühe und Schafe. Ich machte Bewegungen auf den Straßen aus, Personen und Wagen, die der Stadt zustrebten. Ich blickte über den Hafen: Die Aussicht war zuweilen von Bäumen oder Bauwerken verdeckt, doch nach und nach sah ich die Schiffe deutlicher. Mehrere lange, flache Frachtkähne glitten geschwind durch das Wasser, während vier riesige Kriegsschiffe vor Anker lagen; alle waren noch immer klein wie Spielzeug auf diese Entfernung. Ich fragte mich, ob Leacon und seine Männer schon auf einem der Kriegsschiffe waren. Ich bemerkte nur eine verschwommene Bewegung zu beiden Seiten der kleineren Schiffe, wie die Krabbelbeine eines Käfers.
»Was sind das für Schiffe?«, fragte ich Hugh.
»Galeassen – sie sind mit Segeln und Rudern ausgestattet. Die Seeleute an den Rudern müssen üben.«
Wir ritten weiter, wobei die Straße zum Glück etwas flacher wurde. Auch dieser Tag war windstill und schwül, und ich schwitzte wieder in meiner Robe. Eine Baumgruppe behinderte jetzt den Blick hinunter auf die See, dafür wurde die Aussicht auf die Insel klarer. Mehrere Ansammlungen weißer Tupfer, vermutlich Soldatenzelte, verteilten sich entlang der Küste. Die Stadt neben der schmalen Hafenmündung war von einer Mauer umgeben, davor hatte man weitere weiße Zelte errichtet. Große, sumpfig wirkende Seen glänzten zu beiden Seiten der Stadtmauern. Portsmouth war eine natürliche Festung.
Hugh deutete auf ein rechteckiges weißes Bauwerk an der Küste. »South Sea Castle«, sagte er stolz. »Die neue Festung des Königs. Ihre Kanone hat eine große Reichweite.«
Ich blickte hinaus auf den Solent und musste an meine Rückkehr aus Yorkshire denken im Jahre 1541, und sogleich fiel mir wieder ein, was danach geschehen war, und ich erschauerte.
»Geht es Euch gut, Master Shardlake?« Ich fühlte, wie ich eine Gänsehaut bekam.
»Nur eine Gans, die über mein Grab geht.«
* * *
Am Fuße des Hügels verlief die Straße auf Erdwällen durch ein Gebiet aus Sumpf und Schlamm, mit einer schmalen Wasserfläche in der Mitte, über die eine steinerne Brücke führte. Am jenseitigen Ende, wo das Land wieder anstieg, lagerten Soldaten. Die Männer saßen nähend oder schnitzend vor den Zelten, einige spielten auch Karten oder würfelten. Auf der Brücke standen Soldaten und inspizierten die Ladung des Fuhrwerks vor uns.
»Dies ist die einzige Verbindung zwischen Portsea Island und dem Festland«, sagte Hobbey. »Sollten die Franzosen sie einnehmen, wäre die Insel abgeschnitten.«
»Unsere Kanonen versenken ihre Schiffe, ehe sie landen«, sagte David voller Zuversicht. Der Ausblick schien ihn so sehr gefangenzunehmen, dass er Lamkin und die Prügel seiner Mutter vergessen hatte. Und doch lag etwas Gehetztes in seinem Blick.
Ein Soldat kam auf uns zu und fragte nach unserem Begehr. »Ein Rechtsfall in Portsmouth«, antwortete Hobbey kurz angebunden. Der Soldat maß mit prüfendem Blick unsere Roben und winkte uns weiter. Mit klappernden Hufen trugen die Pferde uns über die Brücke.
Wir ritten auf einer staubigen, von Bäumen gesäumten Straße über die Insel. Hugh wandte sich an Hobbey, seine Stimme war mit einem Mal ungewohnt
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