Der Pfeil der Rache
und ritten behutsam an den Karren vorbei. Ich befand mich hinter Hugh. Ich betrachtete seinen narbigen Nacken und dachte, dass ich eine Kiste mit Gold gäbe, um zu erfahren, was in diesem Kopf vor sich ging. Als wir die Fuhrwerke hinter uns gelassen hatten, lenkte ich mein Pferd wieder neben das seine.
»Euer Freund, der die Bogenschützen kommandiert«, fragte er, »ist er auch in Portsmouth?«
»Ich meine schon.« Ich blickte an ihm vorbei. »Master Hobbey«, rief ich. »Nach dem Gespräch mit Sir Quintin Priddis bleiben Barak und ich noch in Portsmouth, um meinen Freund aufzusuchen.«
Hobbey nickte. »Wie Ihr wünscht. Aber ich muss Euch warnen, in Portsmouth geht es derzeit rau zu, der Ort wimmelt von Soldaten und Seeleuten.«
»Ich würde Euren Freund gern kennenlernen«, sagte Hugh.
»Nein«, entgegnete Hobbey bestimmt.
»Glaubt Ihr vielleicht, ich würde die Gelegenheit beim Schopf packen und zu den Soldaten gehen?«, fragte Hugh spöttisch.
Hobbey wandte sich ihm zu, sein Gebaren war plötzlich barsch und bestimmt. »Versuche es, und ich lasse dich auf der Stelle von den Konstablern holen. Wie stündest du dann da vor all den tapferen Soldaten?«
Hugh bedachte mich mit einem schiefen Grinsen. »Master Shardlake würde dir helfen.«
»Das würde ich ganz gewiss«, bejahte ich mit Nachdruck.
Wir ritten schweigend weiter. Der Weg wurde immer steiler, je mehr wir uns dem Hügelkamm näherten. Wir hatten ihn fast erreicht, als wir nach links bogen. Wir ritten etwa eine Meile geradeaus, durch eine kleine Ortschaft, und machten in der Nähe einer großen Windmühle halt. Von dort aus ritten wir bis hinauf zum Hügelkamm, und der Ausblick nahm mir fast den Atem.
Vor uns erstreckte sich ein weites Schachbrett aus Meer und Land. Der Hügel fiel steil ab bis zu einer Ebene, die eine riesige Bucht umschloss. Eine schmale Meerenge führte hinaus in den Solent, an dessen jenseitigem Gestade, grün und braun, die Insel Wight zu erkennen war. Die Bucht schimmerte in der Mittagshitze wie ein silberner Spiegel. Da gerade Ebbe herrschte, waren breite braune Schlammbänke darin sichtbar. Ganz in unserer Nähe, am Kopfende der Bucht, befand sich eine riesige rechteckige Ummauerung aus weißem Stein, vermutlich Portchester Castle. Weiter im Westen erblickte ich eine zweite Bucht und wieder Sandbänke.
Hobbey folgte meinem Blick. »Langstone Harbour. Zu seicht für große Schiffe. Das Land zwischen Langstone Harbour und Portsmouth Haven ist Portsea Island.«
Ich betrachtete das keilförmige Stück Land zwischen den beiden Buchten. Am südwestlichen Ende der Insel, in unmittelbarer Nähe der Hafenmündung, machte ich einen dunklen Fleck aus, der Portsmouth sein musste. In Portsea Haven lagen zahllose Schiffe vor Anker. Von unserem Standpunkt aus betrachtet waren einige nur winzige Punkte, andere hingegen, die weißen Segel gehisst, wirkten gewaltig. Die Kriegsschiffe. Im Solent lagen weitere Schiffe vor Anker, vierzig oder fünfzig, in allen Größen.
»Die Flotte«, sagte David staunend. »Sie erwartet den König.«
»Und die Franzosen«, stellte Barak nüchtern fest.
Hugh sah mich lächelnd an. »Habt Ihr je dergleichen gesehen?«
»Nein«, antwortete ich leise. »Nein, noch niemals.«
»Die Schiffe im Solent liegen im tiefen Wasser; dort draußen gibt es viele Sandbänke; mit ein wenig Glück wissen die Franzosen nicht, wo sich welche befinden, und laufen auf Grund.«
»Sie haben gewiss ihre Lotsen, genau wie wir«, versetzte Hobbey unwirsch.
»Das also ist der Hafen von Portsmouth«, sagte ich leise zu Hobbey. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er so groß wäre und so viele Schlammbänke zu sehen wären.«
»Unweit der Hafenmündung ist das Wasser tief.«
»Die gesamte Flotte findet darin Platz, wenn es sein müsste, ganz gewiss«, sagte David stolz. »Dann halten die Kanonen zu beiden Seiten des Hafens die Franzosen fern.«
Ich blickte über den langen Hügelkamm von Portsdown Hill, der zur Hügelkette der South Downs gehörte. Leuchtbaken säumten die Hügel, so weit das Auge reichte; und neben einer jeden war ein Wachmann postiert. Zu meiner Rechten wurde die Kette der Leuchtfeuer fortgeführt, vorbei an einem großen Soldatenlager.
»Reiten wir weiter«, sagte Hobbey. »Es sind noch fast vier Meilen nach Portsmouth. Seid achtsam, der Weg nach unten ist steil.«
Wir begannen den Abstieg, auf die Insel zu.
kapitel fünfundzwanzig
W ir ritten gemächlich die steile Böschung auf der Südseite
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