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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Aber angeblich vergeht ein Großteil des Soldatenlebens mit Warten.«
    »Ihr seid also noch auf keinem Schiff gewesen?«, fragte Barak.
    »Nein.« Carswell wurde ernst. »Einer der Männer ist schier in Ohnmacht gefallen, als er die Schiffe aus der Nähe sah – viele von uns haben noch niemals das Meer gesehen.« Er lachte unbehaglich. »Wie mag man dergleichen auf der Bühne darstellen? All diese Kriegsschiffe und Galeassen. Sie werden mit Verbrechern und Bettelleuten bemannt, die für eine solche Schinderei nicht kräftig genug sind. Manche von ihnen fallen einfach tot um, und ihre Leichen werden abends an Land gebracht.« Seine Stimme nahm wieder den scherzhaften Ton an. »Wenn ich Euch in der Anwaltstracht vor unseren Oberbefehlshaber, den Earl of Suffolk, führte, Sir, könntet Ihr dann erwirken, dass ich die Armee verlassen darf? Sagt ihm nur, dass die Aussicht auf Gefahr mir nicht gefällt! Was meint Ihr?«
    Ich lachte. »Auweh, Carswell, jetzt, fürchte ich, überschätzt Ihr die Macht eines Rechtsanwalts.«
    Wir hatten die Zelte erreicht, stiegen über Halteseile. Einige Soldaten aus der Kompanie winkten oder riefen uns Grüße zu. Sulyard, der vor seinem Zelt saß und etwas in seinen Messergriff schnitzte, warf mir einen gemeinen Blick zu. Carswell blieb vor einem großen Zelt stehen, auf dessen Spitze eine Fahne mit dem Georgskreuz wehte. Leacon war eben herausgetreten. »Herr Hauptmann«, rief Carswell ihm zu. »Ein Besucher!«
    Leacon trug einen runden Helm, einen Halbharnisch über dem Wappenrock und das Schwert an der Hüfte. Die Zeltklappe tat sich auf, und ich sah den Waliser Tom Llewellyn, der eine Dokumentenschatulle trug. Leacons Miene war besorgt gewesen, entspannte sich aber zu einem Lächeln, als er unser ansichtig wurde.
    »Master Shardlake! Jack Barak!«
    »Wir haben etwas zu erledigen in Portsmouth. Vor dem Tor hat sich eine Schlange gebildet, der junge Carswell hat uns entdeckt und hierhergeführt.«
    »Gut! Wie geht es deiner Frau, Jack?«
    »Trefflich, ihrem letzten Brief nach zu urteilen.«
    »George«, sagte ich, »darf ich Euch kurz sprechen?«
    »Geht es um Euren Steward, der von sich behauptet, er sei in Flodden gewesen? Da habe ich Neuigkeiten für Euch.«
    »So? Die würde ich gerne hören. Und George, da wäre noch jemand, den ich suche und der sich vielleicht in Portsmouth aufhält. Es ist wichtig. Ein Mann namens Philip West, vermutlich ein Offizier der königlichen Flotte.«
    »Dann ist er gewiss hier in der Stadt. Wisst Ihr schon, dass heute Lord Lisle mit seinen Schiffen angekommen ist? Unweit der Kanalinseln kam es zum Scharmützel. Aber nun muss ich gehen, in der Stadt findet eine Offiziersversammlung statt: Ich muss Sir Franklin Giffard begleiten.« Er wandte sich zu Llewellyn um. »Den jungen Tom hier nehme ich mit: Viele der Offiziere stammen aus Wales, und er hat von seinem Vater ein wenig Walisisch gelernt.« Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Die hohe Kunst der Diplomatie.« Der junge Bursche lächelte angespannt. »Treffen wir uns später in der Stadt?«, fragte Leacon. »Vielleicht heute Nachmittag?«
    »Gewiss. Wir haben um zehn eine Versammlung, aber danach stehe ich Euch zur Verfügung.«
    »Dann speisen wir im Red Lion zu Mittag, sagen wir um zwölf?«
    »Ich würde mich freuen.«
    »Ich will einem der Offiziere mitteilen, er soll sich an Euch wenden. Er kennt eine interessante Geschichte über den guten Master Coldiron.«
    »Und wie geht es der Truppe? Wie geht es Euch, Llewellyn?«
    »Gut, Sir. Obwohl wir mächtig erschrocken sind, als wir der Schiffe ansichtig wurden.«
    »O ja«, pflichtete Leacon ihm bei. »Wenn die Männer an Bord gehen sollen, müssen sie sich bald daran gewöhnen, auf See zu sein. Aber die Verantwortlichen streiten sich weiterhin darum, wie sie uns am besten einsetzen sollen, und nichts geschieht, da mögen sie mir tausendmal beteuern, wie sehr sie uns als Bogenschützen schätzen.« Er seufzte schwer. »Kommt, geht Ihr mit mir wieder auf die Straße zurück?«
    Wir schlängelten uns zwischen den Zeltreihen hindurch. »Was gibt es Neues von den Franzosen?«, fragte ich leise.
    Er entfernte sich ein wenig von Llewellyn. »Schlimm. Über zweihundert Schiffe, die sich in den französischen Häfen versammeln, mit dreißigtausend Soldaten an Bord. Lord Lisle stieß vorige Woche vor den Kanalinseln auf einige ihrer Galeeren. Das Wetter verschlechterte sich jedoch, und so kam es nicht zu einem wirklichen Gefecht. Wir werden jeden

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