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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Sattel. Dann brachte er ihn zu uns herüber, und Barak und ich saßen auf. Ich setzte mich im Sattel zurecht und klopfte Oddlegs Flanke.
    Da geschah etwas Merkwürdiges. Hugh war im Begriff aufzusteigen, als Feaveryear zu ihm sagte: »Was wir wohl zu sehen bekommen in Portsmouth, Master Hugh?«, und dabei leicht seinen Arm berührte. Die Geste hatte nichts Ungewöhnliches, wenn sie auch anmaßend war angesichts des Standesunterschieds zwischen den beiden. Hugh aber stieß Feaveryear so ungestüm beiseite, dass er den schmächtigen Schreiber fast zu Fall gebracht hätte. »Rührt mich nicht an!«, schnaubte er in jähem Zorn. »Ich dulde es nicht.«
    Er stieg in den Sattel. Dyrick stellte Feaveryear barsch zur Rede: »Tut das nie wieder. Was bildet Ihr Euch ein, Tölpel! Aufs Pferd mit Euch, macht schon!« Feaveryear gehorchte, tief gekränkt.
    Als wir zum Tor hinausritten, erinnerte ich mich an Hobbeys Andeutung, dass Michael Hugh auf unziemliche Weise berührt habe. Und wenn es doch stimmte?, dachte ich. War dies der Grund für die unangemessen heftige Reaktion?
    * * *
    Die Straße war staubig, die Sonne schon heiß. Wir ritten an der Rodung vorüber, wo noch immer Holzfäller bei der Arbeit waren, dann weiter gen Süden, eine lange, zunehmend steile Steigung hinauf, bis wir den Kamm von Portsdown Hill erreichten. Dort passierten wir eine der Leuchtbaken, die entzündet würden, sobald die Franzosen landeten; ein hoher, kräftiger Pfahl, an dem an einer Kette ein hölzerner Käfig hing, angefüllt mit trockenen Reisern. Ein Mann stand davor Wache. Ich ritt hinauf zu Hugh, der neben Hobbey und David die Gruppe anführte. Dyrick machte noch immer ein besorgtes Gesicht, hatte die Stirn über den kupferfarbenen Augenbrauen gerunzelt.
    Ich sagte: »Danke noch einmal, Hugh, dass Ihr mir den
Toxophilus
geborgt habt.«
    Hugh wandte sich mir zu, das Gesicht von der breiten Hutkrempe beschattet. »Haltet Ihr nun mehr davon, da Ihr Zeit hattet, Euch zu bedenken?«
    »Zugegeben, sein Autor ist ein großer Gelehrter. Ich weiß wenig über das Bogenschießen, weiß nur, dass viele treffliche Personen ihn dafür loben.« Ich musste plötzlich an Lady Elizabeth denken, der ich bei Catherine Parr begegnet war, an ihre Fragen zu Tugend und Gewissen von uns Rechtsanwälten. »Aber ich meine nach wie vor, dass Master Ascham sich im ersten Teil des Dialogs selbst beweihräuchert und überdies dem König zu sehr schmeichelt. Ich habe auch schon bessere Dialoge gelesen. Bei Christopher St. Germain zum Beispiel, einem ausgezeichneten Schriftsteller, gleichwohl er von Gesetzen und Politik spricht.«
    »Den kenne ich nicht.«
    »Dann Thomas More. Ihr habt sein Werk
Utopia
. Bei allen Fehlern nahm More sich selbst nie zu ernst.«
    Hugh lachte. »
Utopia
ist doch nur ein Hirngespinst. Eine Welt, in der alle in Frieden und Harmonie leben, in der es keine Kriege gibt.« Er blickte mir in die Augen. »Das ist nicht die wirkliche Welt, Master Shardlake, und könnte es auch gar nicht sein.«
    »Starke Worte für einen Burschen Eures Alters. Ihr seid noch zu jung, um Euch daran zu erinnern, aber England hatte zwanzig friedvolle Jahre verlebt, ehe der König in Frankreich einfiel.«
    »Hör auf Master Shardlake«, sagte Hobbey kurz und bündig. »Was er sagt, ist wahr.«
    David war die ganze Zeit über still gewesen, jetzt aber wandte er sich an den Vater. »Ich habe eine Idee«, sagte er. Vielleicht finden wir in Portsmouth ein junges Hündchen für Mutter.«
    »Nein«, sagte Hugh mit Nachdruck, an Hobbey vorbei. »Sie braucht Zeit. Man kann ein Haustier nicht einfach ersetzen, so wenig wie einen Menschen.«
    David funkelte ihn wütend an. »Was weißt du schon davon?«
    »Trottel, du vergisst wohl, dass ich eine ganze Menge vom Trauern verstehe.« Der kalte Zorn in Hughs heiserer Stimme machte mich frösteln.
    »Vielleicht kannst du deiner Mutter ja später ein neues Hündchen schenken«, sagte Hobbey beschwichtigend. Wieder sprach er mit David wie mit einem Kind. Ob dies der Grund war für Davids unreifes Gebaren?, fragte ich mich.
    Im selben Moment stieß einer der Diener einen Warnruf aus, und wir lenkten die Pferde an den Straßenrand, um zwei große Fuhrwerke passieren zu lassen. Sie hatten in Kisten Kanonenkugeln geladen. Aus Sussex, dachte ich, für die Geschütze in Portsmouth.
    »Wir sollten sie überholen, einer nach dem anderen«, schlug Dyrick vor. »Sonst haben wir sie den lieben langen Tag vor der Nase.« Wir bildeten also eine Reihe

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