Der Pfeil der Rache
massivem Stein gebaut, und ihr kreisrundes Dach strotzte von Kanonen. Auf dem Wehrgang patrouillierten Wachsoldaten. Aus der Nähe betrachtet, erinnerte Portsmouth eher an eine hastig errichtete Burg als an eine Stadt.
Wir warteten am Ende einer langen Schlange von Fuhrwerken darauf, durch das Tor zu gelangen, das sich auf einer kleinen Anhöhe befand und über eine Brücke erreichbar war, die sich über den Graben spannte. Diese Stadt war in der Tat eine Festung.
»Diese Lehmmauer ist nicht zu vergleichen mit der Stadtmauer von York«, sagte ich zu Barak.
»Sie ist Teil der Befestigungsanlagen, die Lord Cromwell im Jahre 1539 entlang der Küste errichten ließ, als es den Anschein hatte, dass Franzosen und Spanier England gemeinsam angreifen könnten, um uns wieder dem Papst zu unterwerfen. Sie wurden hastig zusammengeschustert. Ich weiß, dass der Gedanke ihn nachts um den Schlaf brachte«, fügte er traurig hinzu.
»Bei Gott, was für ein Gestank!«, stellte Hobbey fest. Er hatte recht, ein Geruch nach Dung hing schwer in der Luft. Er blickte zu den Zelten hinüber. »Das sind die Soldaten, sie benutzen den Mühlenteich als Latrine. Ferkel!«
»Wo zum Henker sollten sie sonst ihr Geschäft verrichten?«, murrte Barak in seinen Bart. Er hat recht, dachte ich; für den Unrat war kein Platz vorgesehen in der flachen, sumpfigen Gegend rings um die Stadt. Die fauligen Dämpfe würden mit der Zeit noch schlimmer werden; es drohte die Gefahr von Seuchen.
Lautes, wütendes Brüllen ließ uns alle herumfahren. Hinter uns war ein schwerer Karren herangefahren, den vier stämmige Rösser zogen. Das Gebrüll wurde von einem gewaltigen Bullen in einem schweren Eisenkäfig verursacht.
»Sie veranstalten eine Bullenhatz«, sagte ich zu Barak.
»Wahrscheinlich mit Hunden, für die Soldaten.«
Dem Stadttor vorgelagert, stand eine komplizierte Barbakane, in der ein mit Fässern beladener Karren feststeckte. Hinter uns näherten sich weitere Wagen.
»Wir stecken hier für immer fest«, bemerkte Dyrick unduldsam.
»Master Shardlake!« Ich wandte mich um, als ich meinen Namen hörte. Ein junger Mann lief von den Zelten zu uns herüber. Ich lächelte, da ich den Rekruten Carswell aus Leacons Truppe erkannte, der ein Stückeschreiber hatte werden wollen. Sein humorvolles Gesicht war mittlerweile wettergegerbt. Er verneigte sich. »Ihr besucht Portsmouth, Sir?«
»O ja, aus beruflichen Gründen. Wir haben vorhin die Schiffe im Hafen bestaunt und uns gefragt, auf welchem man wohl euch stationiert hat.«
Carswell schüttelte den Kopf. »Wir waren noch auf keinem Schiff. Wir stecken hier im Lager fest. Hauptmann Leacon ist in der Nähe. Ich führe Euch zu ihm, gewiss würde er sich freuen, Euch zu sehen. Das wird noch eine Weile dauern«, fügte er hinzu, nachdem er einen erfahrenen Blick auf die Männer geworfen hatte, die mit dem Karren innerhalb der Barbakane kämpften.
Der Bulle brüllte erneut und warf sich zornig gegen die Käfigwand. Das Pferd eines unserer Diener stieg und schlug aus, und der Mann versuchte verzweifelt, es zu bändigen. Einige in der Menge lachten. »Eure Pferde warten vielleicht lieber am Wegrand, bis der Bulle vorüber ist«, bemerkte Carswell.
Hobbey nickte, stieg aus dem Sattel, und führte sein Pferd aus der Schlange. Wir Übrigen folgten, überließen es einem der Diener, unseren Platz zu halten. »Carswell hat recht«, sagte ich zu Hobbey. »Ich will eben meinen Freund begrüßen, es dauert nicht lange. Wir sind gewiss rechtzeitig bei Sir Quintin.«
»Aber nur ein paar Minuten, Sir, bitte.«
Barak und ich folgten Carswell zu den Zelten. Es gäbe uns die Gelegenheit, mit Leacon zu sprechen und ihn über Philip West zu befragen. Ich hatte beschlossen, mit ihm zu sprechen, sofern es möglich war.
»Hier stinkt es fürchterlich, nicht wahr?«, bemerkte Carswell.
»Schlimmer als an den Ufern der Themse«, stimmte Barak zu.
Carswell sah mich an. »Ihr habt versprochen, mir zu helfen, Sir. Denkt Ihr auch daran, wenn Ihr wieder in London seid?«
Ich lächelte. »Ich habe es nicht vergessen.«
»Ich wünschte, ich wäre zu Hause – ich hasse diese Warterei, dieses Herumgehocke im Gestank, wie die Säue in der Suhle. Ohne Passierscheine dürfen wir nicht in die Stadt, und die Seeleute müssen an Bord der Schiffe bleiben. Sie befürchten, wir könnten aneinandergeraten oder die Händler dabei stören, wenn sie miteinander feilschen, um den besten Preis für unsere elenden Rationen auszuhandeln.
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