Der Pfeil der Rache
Wieder wurden wir von den Wachsoldaten nach unserem Begehr gefragt, ehe wir passieren durften. Als wir durch die Barbakane ins Sonnenlicht ritten, hörte ich im Inneren regelmäßigen Trommelschlag.
kapitel sechsundzwanzig
I nnerhalb seiner Mauern erinnerte Portsmouth noch mehr an eine Burganlage. Die Stadt war ringsum von Wällen umgeben, die zur Innenseite hin sanft abfielen, wo man Gras ausgesät hatte, um das Erdreich zu festigen. Ein Großteil des umschlossenen Gebietes war Marktgärten überlassen, die Stadt selbst dagegen erstaunlich klein. Die Straße vor uns war die einzige, die von Werkstätten und Häuschen gesäumt war, von denen die stattlicheren vorkragende Obergeschosse aufwiesen. Ich sah nur eine Kirche, auf der Seeseite, auf deren eckigem Turm sich eine weitere Signallaterne befand.
»Das ist die High Street«, sagte Hobbey. »Auf halbem Wege treffen wir Master Priddis in der neuen Guildhall.«
Die Straße war ungepflastert, staubig von all dem Verkehr, die Luft schwer von dem widerlichen Geruch aus den Bräustuben. Wir ritten an müde aussehenden Tagelöhnern vorüber, an sonnenverbrannten Seeleuten in wollenen Röcken und barfüßig, an Soldaten mit ihren runden Helmen, die offenbar Passierscheine in die Stadt erhalten hatten. Ein gutgekleideter Kaufmann, einen vornehmen Spitzenkragen am Hemd, hielt sich im Reiten eine Duftkugel an die Nase, an seiner Seite, ebenfalls zu Pferde, ein Schreiber, der ihm von einer Liste laut Zahlen vorlas. Wie viele andere hielt der Kaufmann die Hand über den Beutel an seinem Gürtel.
Vor den offenen Läden standen Leute und feilschten lautstark. Ich vernahm ein wahrhaft babylonisches Sprachengewirr: Waliser, Spanier, Flamen. An jeder Ecke ein Grüppchen Soldaten in Halbharnischen und mit Hellebarden in den Fäusten, die sämtliche Passanten im Auge behielten. Ich musste an die Straßenjungen in London denken. Der Stadtschreier in seiner leuchtend roten Tracht schritt auf und ab, wobei er eine Glocke läutete und rief: »Sämtliche Weiber, die bis morgen keine Bleibe vorweisen können, werden als Dirnen aus der Stadt entfernt!« Ein Betrunkener stolperte in die Gasse und soff aus einem schweinsledernen Schlauch. »Werdet Matrosen, Männer!«, rief er. »Heinrich zahlt Euch gutes Geld, und das Bier fließt in Strömen!« Er torkelte auf Feaveryear zu, der sein Pferd zügelte. »Gottloses Geschöpf!«, murmelte er ärgerlich.
»Hebt Ihr hie und da nicht auch gern einen Humpen, Feaveryear?«, fragte Barak ihn zum Scherz.
»Mein Pfarrer predigt immer, man soll die Schenken meiden.«
»Der klingt ja wie mein Weib.«
»Hugh und David haben vorhin ein beachtliches Spektakel zum Besten gegeben«, sagte ich zu Feaveryear.
»Ich beneide Master Hugh um seine Tüchtigkeit.« Der schmächtige Schreiber seufzte.
»Ich würde ihn nicht allzu sehr beneiden. Sein Leben ist auch kein Honiglecken.«
Feaveryear starrte mich an. »Ihr täuscht Euch, Sir. Für Hugh wird gut gesorgt. Er ist kräftig, tüchtig und belesen. Ein wahrer Gentleman. Es ist genau, wie mein Herr sagt; gegen seine Familie ist nichts einzuwenden.« Er gab dem Pferd die Sporen und setzte sich an die Spitze.
* * *
Die Guildhall war ein großes, hell getünchtes dreistöckiges Gebäude aus Holz. Ein Knecht führte unsere Pferde in den angrenzenden Stall. Hobbey wies David an, er möge mit den beiden Dienern auf uns warten, und mahnte die drei, sich von den Wirtshäusern fernzuhalten.
»Ihr wollt vermutlich, dass Barak Euch begleitet«, sagte Dyrick.
»So ist es, Bruder.«
Dyrick zuckte die Schultern. »Dann komm du auch, Sam.«
Wir traten in einen großen Saal. Eine hölzerne Treppe führte nach oben. Königliche Beamte und Bürger in der Tracht ihrer Zünfte eilten geschäftig hin und her. Hobbey trat auf einen gehetzt wirkenden Schreiber zu und fragte ihn nach Sir Quintin Priddis.
»Er ist oben, Sir. Im Zimmer gegenüber der Treppe. Seid Ihr die Herren, die ihn sprechen wollen? Ihr kommt ein wenig spät.«
Hobbey fuhr zu Hugh herum und keifte: »Das haben wir nun von der Kinderei! Ein Gentleman lässt einen anderen nicht warten!« Hugh zuckte die Schultern.
Wir stiegen die Treppe hinauf. Barak blickte verächtlich um sich. »Eine hölzerne Guildhall?«
»Im Ort leben doch normalerweise nicht mehr als einige hundert Personen. Die Einwohner müssen sich geradezu überschwemmt vorkommen.«
Wir klopften an die Tür, die man uns gewiesen hatte. Eine höfliche Stimme bat uns hinein. Wir traten in
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