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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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einen Konferenzraum, welcher karg eingerichtet und von einem großen Eichentisch beherrscht war, an dem zwei Männer saßen, einen ordentlichen Stapel Papiere vor sich. Der jüngere der beiden trug eine Anwaltsrobe; er mochte Anfang vierzig sein, mit langem dunklem Haar. Sein kantiges Gesicht war kalt und schön. Der ältere war bereits in den Sechzigern, grauhaarig und in einer braunen Robe. Er saß vornübergebeugt da, die eine Schulter viel höher als die andere, und einen Moment lang glaubte ich, Sir Quintin Priddis sei wie ich mit einem Buckel geschlagen. Da sah ich, dass die eine Gesichtshälfte wie eingefroren und seine Linke, die auf dem Tisch ruhte, eine ausgedörrte Klaue war und knochenweiß. Er hatte offenbar einen Schlaganfall erlitten. Vor Jahren, als Coroner in Sussex, hatte er die schreiende Ellen in eine Kutsche verfrachten lassen. Pfarrer Seckford hatte ihn als einen geschäftigen, umtriebigen kleinen Burschen beschrieben. Das traf nun nicht mehr auf ihn zu.
    Wir verneigten uns, und als wir uns aufrichteten, waren zwei identische, scharfe hellblaue Augenpaare auf uns gerichtet.
    »Nun, das ist ja eine ganze Abordnung«, sagte der Ältere. Seine Worte klangen vernuschelt, gelispelt. »Ich hatte nicht mit so vielen gerechnet. Zudem noch ein Sergeant. Demnach seid Ihr Matthew Shardlake?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Sir Quintin Priddis, Lehnsrichter von Hampshire. Dies ist mein Sohn Edward, mein Assistent.« Er warf einen Blick auf den Jüngeren, ohne Zuneigung, wie ich fand. »Nun, Master Hobbey kenne ich, und dieser gutgebaute Bursche ist wohl Hugh.« Er maß den Jungen mit forschendem Blick. Hugh bedeckte unwillkürlich mit der Hand seine Narben. »Ihr seid mächtig gewachsen, Bursche, seit ich Euch das letzte Mal sah. Aber warum tragt Ihr das Haar so kurzgeschoren? Edles Geblüt trägt das Haar üppig und voll.«
    »Ich bin ein Bogenschütze, Sir«, antwortete Hugh mit Gleichmut. »So ist es bei uns üblich.«
    Ein spöttisches Lächeln verzog kurz die rechte Hälfte von Sir Quintins Gesicht. Hobbey sagte: »Dies ist Master Vincent Dyrick, mein Rechtsbeistand. Die beiden anderen sind unsere Schreiber.«
    »Ich fürchte, wir haben zu wenig Stühle an diesem ärmlichen Ort«, sagte Priddis. »Ich kann Euch keinen Platz anbieten. Aber wir werden nicht lange hier sein; ich habe um elf Uhr eine Verabredung, die nicht warten kann. Nun, Master Shardlake, womit kann ich Euch dienen?« Er maß mich mit kaltem Lächeln.
    »Ihr kennt den Fall gut, Sir –«
    »Nicht als Rechtsstreit.« Edward Priddis sprach ruhig und klar. »Mein Vater kennt den Fall als gewöhnliche Vormundschaft, in seiner Funktion als Lehnsrichter. Er setzte den Wert des Landes fest und war seither mit den üblichen Belangen von Master Hobbey befasst.«
    Sir Quintin setzte sein freudloses, halbseitiges Grinsen auf. »Mein Sohn, müsst Ihr wissen, ist ebenfalls Rechtsanwalt. So wie ich zu Beginn meines Werdegangs. Er hat recht, aber Ihr, Master Shardlake, Ihr glaubt, es bestehe Grund zur Sorge.« Ich blickte in jene hellblauen Augen, konnte aber nur darin lesen, dass noch Saft und Kraft in ihnen war.
    »Sir Quintin«, fragte ich, »wenn Ihr von den üblichen Belangen sprecht, meint Ihr dann das Schlagen von Master Hughs Bäumen?«
    »So ist es. Master Hobbey meinte stets, die Zeiten seien günstig, man müsse die große Nachfrage nach Holz nutzen. Er handle nach dem Gesetz, sagte ich, solange Hugh Anteil habe am Gewinn. Eine Ressource unter solchen Bedingungen zu nutzen ist keine Verschwendung, sondern allenfalls ein kluges Profitieren von der Marktlage.«
    Edward legte die Hände auf die Papiere. »Hier habe ich Aufzeichnungen von den Gesprächen meines Vaters mit Master Hobbey. Ihr dürft sie gerne einsehen.«
    »Ich mache mir Sorgen, dass die Beträge in Master Hobbeys Büchern nicht die Anzahl der erstklassigen Eichenstämme spiegeln, die ich in den verbliebenen Wäldern sah.«
    Hobbey sah mich forschend an. Dyrick wandte sich an Priddis. »Der Wald, der geschlagen wurde, enthielt weit weniger Eichen als der verbliebene.«
    »Ihr habt die Wälder doch gewiss gesehen, ehe man sie fällte, nicht wahr, Sir«, sagte ich zu Priddis.
    »Ich entsinne mich eines Mischwaldes. Doch das liegt fünf Jahre zurück, vor dem ersten Waldschlag. Mittlerweile stellt ein Ritt durch Waldland gewisse Schwierigkeiten für mich dar.« Er wies auf seine tote weiße Hand.
    »Master Hobbey meinte, Euer Sohn werde dies für Euch übernehmen.«
    »Das ist wahr«, sagte

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