Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom

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erhält!«
    »Gentlemen!« Avery klopfte auf die Karte. »Ich bitte um Aufmerksamkeit! Wir haben es mit einem starken, wilden Tier zu tun!«
    »Verzeihung«, sagte Hobbey. Er warf Abigail einen wütenden Blick zu. »Meine Frau wird noch alles ruinieren mit ihrem losen Mundwerk.«
    Man hörte verhaltenes Stöhnen unter den Frauen angesichts dieser öffentlichen Demütigung. Abigail errötete und wandte sich ab. Ein Muskel zuckte in Hobbeys Wange. Dann blickte er Avery auffordernd an. »Weiter!«, herrschte er ihn an.
    Der Jägersmann holte tief Luft. »Sobald der Hirsch aufgescheucht ist, beginnt die eigentliche Jagd. Wir treiben ihn auf den Hauptpfad und von dort auf die Stelle zu, wo die Bogenschützen auf der Lauer liegen. Ihr Männer an den Lappen müsst gute Arbeit leisten, dürft keine Angst haben, wenn der Hirsch auf euch zugelaufen kommt. Abseits der Wege, im Wald, ist ein Hirsch weitaus flinker als ein Pferd.«
    »Das ist wahr«, stimmte Corembeck mit unheilschwangerer Stimme zu.
    Als Nächstes zeichnete Avery fünf Kreuze an Stellen entlang des Wegs. »Die Bogenschützen lauern hier – Master Hugh, Master David, Fulstowe und unsere beiden jungen Gäste. Ihr macht euch vor den anderen auf. Einem von euch wird die Ehre zuteil, den tödlichen Pfeil abzuschießen, den Hirsch zu erlegen.« Er blickte in die Runde der Bogenschützen. »Denkt daran, sucht euch eine gute Deckung und eine klare Schusslinie. Und haltet euch still.« Er blickte prüfend in die Runde. »Sobald der Hirsch auf die Bogenschützen zugetrieben wird, stoße ich ins Horn – so –, damit sie sich bereithalten. Falls ich aus irgendeinem Grunde die Bogenschützen um mich versammeln muss, gebe ich folgendes Signal:« – er blies eine andere Fanfare. »Ist alles klar?«
    Ein vielstimmiges Ja ertönte. Avery nickte. »Also gut, Gentlemen, zu den Pferden. Abrichter, gebt auf die Hunde acht!«
    * * *
    Wir sahen, wie David, Hugh, Fulstowe und die beiden fremden Jünglinge hintereinander in den Wald ritten. Einige Minuten später stieß Avery ins Horn, und wir Übrigen folgten. Das einzige Geräusch war ein gelegentliches Scheppern des Zaumzeugs, das schnell gedämpft war. Die Hunde zerrten zwar an den Leinen, gaben aber keinen Laut von sich. Ich befand mich zwischen Barak und Dyrick, unmittelbar hinter Hobbey, der neben Corembeck ritt. Avery an der Spitze legte einen langsamen, gleichmäßigen Schritt vor. Ich spürte, dass Oddlegg dieser fremde, stumme Zug beunruhigte, und tätschelte ihn sanft.
    Nach einer halben Stunde hob Avery die Hand und lenkte uns auf einen schmalen Seitenpfad. Dort fiel es schwer, keine Geräusche zu verursachen, da die Pferdeleiber das Buschwerk streiften, welches den Weg säumte. Und dann, ebenso unvermittelt wie neulich, als Barak und ich auf die Hirschkuh gestoßen waren, betraten wir eine Lichtung, auf der friedlich Rotwild äste. Es waren – genau wie Avery vorhergesagt hatte – mehrere Kühe und Kälber, dazu ein stattlicher Hirsch. Die Tiere merkten augenblicklich auf. Der Hirsch hob den Kopf.
    Und dann fing es an, das schnell dahinrauschende Blut und die kopflose Hatz, auf die wir gewartet hatten. Im Nu hatten die Hirschkühe mitsamt den Kälbern kehrtgemacht und flüchteten. Die Jagdhunde, von den Leinen gelassen, hetzten an uns vorbei. Sechs Reiter jagten ihnen nach, wobei sie durchs Unterholz brachen.
    Wir Übrigen nahmen uns den großen Hirsch vor. Auf meiner ersten und bislang einzigen Jagd, vor vielen Jahren, hatte ich den Hirsch erst gesehen, als er tot war. Dieser hier war größer und schwenkte bedrohlich sein mächtiges Geweih mit den spitzen Sprossen. Er senkte den Kopf gegen Corembeck, der ihm am nächsten war. »Auf die Seite, Sir«, sagte Avery leise, aber mit Nachdruck. Corembeck lächelte in nervöser Erregung und lenkte sein Pferd langsam nach links. Augenblicklich brach der Hirsch durch die entstehende Lücke und sprang den Pfad entlang, wobei er im Lauf die kräftigen Muskeln der Hinterläufe spannte. Avery stieß ins Horn, und wir gaben den Pferden die Sporen und jagten dem Wild hinterher. Barak grinste, ein Leuchten in den Augen. »Herrgott, das gefällt mir!«, rief er atemlos.
    Wir hetzten den Hirsch den Pfad entlang. Einige Männer standen entlang der Strecke. »He! He!«, riefen sie und ruderten mit den Armen, um das Tier nach rechts zu treiben, auf die Bogenschützen zu. Der Hirsch jedoch rannte weiter den Pfad entlang, und wir sprengten ihm hinterdrein. An einer Stelle lichtete