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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Baum gelehnt, die Arme im Schoß gefaltet. Sie blieb still sitzen, regte sich nicht bei unserem Erscheinen. Die Bilder überlagerten sich, und für einen Sekundenbruchteil meinte ich das Horn des Fabelwesens aus ihrer Stirn ragen zu sehen. Erst dann erkannte ich die Wirklichkeit: Abigail Hobbey war mit einem Pfeil durch den Kopf an den Baum hinter ihr genagelt worden.

teil fünf
    die untoten

kapitel einunddreißig
    B arak und ich saßen am Ende der langen Tafel im Großen Saal von Kloster Hoyland. Fulstowe, Dyrick und Sir Luke Corembeck standen unter dem alten Buntglasfenster und sprachen leise und eindringlich miteinander. Sir Quintin Priddis saß auf einem Stuhl neben dem leeren Kamin, die gesunde Hand auf dem Stock, die taube weiße ruhte im Schoße, und beobachtete sie mit hämischem Grinsen. Hinter ihm stand mit ernster Miene in seiner dunklen Robe Edward Priddis. Sie hatten in der Eingangshalle gesessen, als wir mit der Kunde von Abigails Tod ins Haus gekommen waren.
    »Ettis hatte allen Grund, sie zu hassen«, sagte Fulstowe gerade. »Er bekam ihre spitze Zunge zu spüren, und er wusste, dass meine arme Herrin seinem Trotze standhielt.«
    »Sie stellte ihn zur Rede, als er meinen Mandanten vor einigen Tagen in dessen eigenem Studierzimmer anbrüllte«, pflichtete Dyrick ihm bei. »Ich war Zeuge.«
    Fulstowe nickte grimmig. »Ich kenne ihn wohl, den Unruhestifter. Er ist der Einzige, der genügend Feuer und Verwegenheit besitzt, um seinen Hals zu riskieren. Sir Luke, ich bitte Euch, nutzt Eure Autorität als Richter, um ihn ergreifen zu lassen. Befragt ihn; findet heraus, wo er heute war.«
    Sir Luke kratzte sich die feiste Wange und nickte. »Das wäre vielleicht ein vernünftiger Schritt, bis der Coroner kommt. Ich kann ihn von meinen Dienern holen lassen. Im Haus ist ein Keller, wo wir ihn einsperren können.«
    Priddis lachte keckernd. »Dann habt Ihr den Mörder gefunden?«, rief er aus. »Ein Bauer, der sich gegen Eure Einzäunungsvorhaben zur Wehr setzt. Wie günstig.«
    Sir Luke fuhr hoch. »Ettis ist ein hitzköpfiger Schurke, Herr Richter, und ein Feind dieser Familie. Er sollte befragt werden.«
    Priddis zuckte die Schultern. »Von mir aus. Aber wenn der Coroner aus Winchester kommt, könnte er der Ansicht sein, dass man die Anstrengungen lieber hätte auf die Frage verwenden sollen, wo sich die einzelnen Mitglieder der Jagdgesellschaft zu welchem Zeitpunkt befanden.«
    »Dergleichen wird bereits getan, Sir«, entgegnete Dyrick.
    »Ettis würde sich nicht davonmachen«, sagte ich. »Er hat ein Weib und drei Kinder.«
    »Die Ermittlung ist Sache des Coroners«, erwiderte hochmütig Corembeck, »doch in der Zwischenzeit kann es nicht schaden, Ettis dingfest zu machen.«
    »Wann wird der Coroner hier eintreffen?«, fragte Dyrick den Steward.
    »Nicht vor übermorgen, selbst wenn unser Bote zwischen hier und Winchester freie Wege vorfinden sollte, was ich bezweifle.«
    Barak schaute zerknirscht drein. Da wir die Leiche gefunden hatten, würden wir bis zur Befragung bleiben müssen. Insgeheim war ich froh darüber. Die Schale des Geheimnisvollen, die diese Familie umgab, würde nun sicherlich geknackt werden. Dann dachte ich, mit schlechtem Gewissen, an die arme Abigail.
    Sir Quintin wandte sich an seinen Sohn. »Nun, Edward, du kannst dir Hugh Curteys’ Landbesitz ruhig ansehen, aus diesem Grund sind wir schließlich hier. Außer Master Shardlake hegt die Befürchtung, er könne wie Abigail von einem Pfeil niedergestreckt werden. Fulstowe sagte mir eben, dass man vor einigen Tagen auch Euch ins Visier nahm.«
    »Allerdings«, antwortete ich. »Es war freilich nur ein Warnschuss, der fehlgehen sollte.«
    »Ich habe keine Angst, Vater«, versetzte Edward barsch.
    Ich sagte: »Wir reiten durch eine Rodung. Die großen Bäume sind allesamt gefällt; ein Bogenschütze fände dort kein Versteck mehr.« Ich blickte zu Dyrick hinüber. »Begleitet Ihr uns?«
    »Ich sollte bei Master Hobbey bleiben. Und Fulstowe, ich möchte, dass Ihr dem Boten, der den Coroner holen soll, einen Brief für meinen Schreiber Feaveryear mitgebt. Er muss schnellstmöglich nach London gelangen, ganz gleich, was es kostet.«
    Edward Priddis sah mich an. »Ich wechsle nur die Kleider, Sir, dann können wir aufbrechen.«
    * * *
    Barak war der Erste gewesen, der sich von der grausigen Szene auf der Lichtung wieder erholt hatte. Er war schweigend durch das Gras gegangen und hatte Abigails Hand berührt. »Sie ist noch warm«, sagte

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