Der Pfeil der Rache
um sich selbst zu kümmern, und doch hatte er einmal für Ellen gesorgt. Ich ging zurück in die Stube, wo Wilf zusammengesackt auf der Sitzbank hockte. Seckford saß auf dem Stuhl.
»Master Seckford«, sagte ich, »wir müssen Master Buttress verständigen, jetzt gleich. Wir vier.«
»Wird die Wahrheit herauskommen?«, fragte er. »Dieses Mal?«
»Ich hoffe es. Jetzt hört mir zu, alle beide. Ich bitte Euch, mein persönliches Interesse für Euch zu behalten. Buttress soll ruhig weiter glauben, dass ich nur versucht habe, für einen Mandanten Familienbande aufzuspüren.«
Seckford blickte mich an, mit jäher Schärfe. »Wenn Ihr in London etwas herausgefunden habt, dann kommt es jetzt an den Tag.«
»Es gibt Gründe, warum ich noch nichts sagen sollte. Bitte habt Vertrauen.« Mehr denn je wollte ich nicht, dass Buttress und wer immer mit ihm im Bunde war, von Ellens Aufenthaltsort erfuhren – falls sie ihn nicht ohnehin schon kannten. Ich hegte die verzweifelte Hoffnung, dass ich genug getan hatte, um sie zu beschützen, und wünschte mir plötzlich, Wilf wäre niemals über diesen Leichnam gestolpert. Der Alte sah mich wieder zweifelnd an.
Seckford kam mir zu Hilfe. »Wir müssen Master Shardlake vertrauen, Wilf. Und nicht mehr sagen als unbedingt nötig, wenn wir es mit Leuten wie Buttress zu tun haben, nicht wahr, Master Shardlake?«
»So ist es.« Ein Gefühl inniger Dankbarkeit für Seckfords Vertrauen überkam mich. Er stand auf, ging zu Wilf und tätschelte seinen Arm. »Wir können einen Abstecher in die Kirche machen, ich schreibe dem Küster eine Nachricht, damit er sie deinen Söhnen bringt.«
* * *
Eine Stunde später saß ich wieder in Master Buttress’ gutausgestatteter Stube. Auf dem Tisch stand eine Vase mit frischen Blumen, die einen widerlichen Geruch von sich gaben. Seckford saß neben mir, die runden Wangen leicht schwitzend, während Barak und Wilf hinter uns standen. Buttress hatte nur Seckford und mir Stühle angeboten, obwohl Wilf verstört und krank aussah.
Buttress selbst schritt im Zimmer auf und ab, die Hände hinter dem breiten Rücken gefaltet, als ich ihm von der Entdeckung im Teich erzählte. Als ich zu Ende gesprochen hatte, fuhr er sich mit der großen Hand nachdenklich durch die grauen Locken. Dann trat er zu mir und sah auf mich herab.
»Was ich nicht verstehe, Master Shardlake«, polterte er streitlustig, »ist Folgendes: Was gab es in der Eisenhütte für Euch herumzuschnüffeln? Als Ihr das erste Mal kamt, schien Euer Interesse meinem Eigentumsrecht auf dieses Haus hier zu gelten.«
»Ich habe nichts dergleichen angedeutet, Sir. Ich wollte nur sehen, ob auf der Urkunde die Anschrift von Mistress Fettiplace vermerkt sei. Ihr habt mir das Dokument freiwillig gezeigt.« Ich hatte sein Eigentumsrecht nicht in Frage gestellt, aber ein schlechtes Gewissen ist leicht aus der Ruhe zu bringen. Buttress war, wie ich bemerkte, ein rechter Dummkopf.
Er knurrte, kniff die kleinen braunen Augen zusammen. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Anwalt, der nach der Übertragungsurkunde verlangt, normalerweise deren Gültigkeit anzweifeln will.«
»Dann verzeiht, dass ich Euch unnötige Sorgen verursacht habe. Denn das habe ich offenbar, zumal Kurat Seckford und Gevatter Harrydance mir erzählten, Ihr hättet sie anschließend über meinen Besuch hier befragt.«
»Aber warum nehmt Ihr einen so langen Ritt auf Euch, nur um die Ruine dieser Eisenhütte anzusehen?«
»Ich hatte einen Tag zur freien Verfügung in Hampshire und Lust auf einen Ausflug zu Pferde. Master Seckford hatte mir erzählt, dass Gevatter Harrydance die Anlage kannte.«
»Und all dies nur, weil Ihr einen Mandanten habt, der Verwandte aufspüren will. Wer ist dieser Mandant überhaupt?«
»Ihr wisst genau, dass ich Euch darauf nicht antworten darf, Sir. Es wäre ein Verstoß gegen meine berufliche Schweigepflicht.«
»Ihr müsst es dem Coroner sagen, wenn er kommt.« Buttress’ Blick bohrte sich noch einen Moment in den meinen, dann wandte er sich mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Ich vermute, ich muss jetzt dafür sorgen, dass die sterblichen Überreste nach Rolfswood geholt werden. Morgen ist Markttag – die Weiber werden sich die Mäuler zerreißen. Und ich muss nach dem Coroner in Chichester schicken. Der Himmel weiß, wann er kommen kann. Nun ja«, fuhr er fort und blickte von einem zum anderen. »Wenigstens ist die Angelegenheit nicht dringend. Master Fettiplace hat neunzehn Jahre in
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