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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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bringen.«
    Er wirkte noch immer zweiflerisch und besorgt. »Was für ein Mensch ist der Coroner von Sussex?«
    »Ich weiß nichts über ihn. Ich werde mich über ihn erkundigen, sobald wir nach London zurückkehren.«
    »Falls wir das jemals tun.«
    »Wir kehren zurück, sobald der Coroner aus Hampshire uns gehen lässt. Ich habe ein Versprechen gegeben und werde es halten.«
    Barak trat ans Fenster, als in der Gasse Stimmen laut wurden, Schreie und Rufe. Auch mir war der Lärm aufgefallen, doch ich dachte, er werde von Händlern verursacht, die ihre Stände für den Markttag vorbereiteten. Barak stieß die Läden auf und pfiff durch die Zähne. »Kommt her, seht Euch das an.«
    Ich trat zu ihm ans Fenster. Draußen hatte sich eine große Gruppe Menschen, von denen einige Fackeln bei sich trugen, um einen Haufen Reisig inmitten der Straße versammelt. Während wir hinunterblickten, teilte sich die Menge, schreiend und jubelnd, um vier Männer hindurchzulassen. Sie trugen einen Mann aus Stroh, gekleidet in einen zerlumpten Kittel, auf dessen Vorderseite grell die französischen Lilien gemalt waren.
    Die Menge schrie: »Verbrennt den Franzmann! Tötet ihn, den Hund!«
    Der Strohmann wurde auf den Reisighaufen gelegt, der in Brand gesteckt wurde. Die Gestalt fing alsbald Feuer und war im Nu von den Flammen verzehrt. »So verfahren wir mit den Eindringlingen!«, schrie jemand, zu lautem Jubel.
    »Wir schneiden den Männern des Franzosenkönigs die Schwänze ab!«
    Ich wandte mich knurrend ab. »Sie könnten sich Gedanken machen, wer die Sache angezettelt hat. Der König, der es mit einer Übermacht aufnehmen will.«
    »Das ist das Problem«, sagte Barak, »Ihr setzt etwas in Gang, und ehe Ihr Euch verseht, wächst es Euch über den Kopf.« Er sah mich vielsagend an. Ich antwortete nicht, sondern legte mich wieder aufs Bett und sah zu, wie sich die züngelnden Flammen rot an der Decke spiegelten.
    * * *
    Am Morgen darauf waren wir schon früh auf den Beinen für den langen Ritt zurück nach Hoyland. Das Wetter war wieder klar und hell. Draußen hatte man die Überreste des Scheiterhaufens fortgekehrt, und entlang der Straße hatte man Marktbuden mit hellen Markisen aufgebaut. Wir hatten schon gefrühstückt und packten unsere Taschen, als die alte Mistress Bell klopfte und ins Zimmer trat. Sie schien ganz aus dem Häuschen. »Jemand ist hier, um mit Euch zu sprechen, Sir«, sagte sie.
    »Wer?«
    Sie holte tief Luft. »Mistress Beatrice West, die Witwe von Sir John West und Herrin von Carlen Hall.«
    Barak und ich sahen einander an. »Wo ist sie?«, fragte ich.
    »Ich habe sie in meine armselige Stube geführt«, fuhr Mistress Bell hastig fort. »Sie hat von der Leiche im Mühlteich gehört. Bitte, Sir, sagt nichts, das sie aufregen könnte. Viele meiner Gäste sind Pächter von ihr. Sie ist eine stolze Dame, nur allzu leicht gekränkt.«
    »Verdruss«, sagte Mistress Bell mit jäher Bitterkeit. »Ein jedes Mal, wenn Ihr kommt, bringt Ihr Verdruss.« Sie ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Barak zog die Augenbrauen in die Höhe.
    »Warte hier«, sagte ich.
    * * *
    Mistress Bells Stube war ein kleiner Raum, in dem sich ein abgenutzter Tisch, einige Schemel und ein altes Wandgemälde befanden, rissig und verblichen, welches eine Jagdszene darstellte. Eine große, kräftig gebaute Mittsechzigerin stand neben dem Tisch. Sie trug ein weites, hochgeschlossenes blaues Kleid und eine altmodische Haube, die ein kluges, hochmütiges Gesicht mit kleinen, tiefliegenden scharfen Augen einrahmte, die an ihren Sohn erinnerten.
    »Mistress Beatrice West?«, fragte ich.
    Sie nickte kurz und sagte unvermittelt: »Seid Ihr der Rechtsanwalt, der die Leiche im Teich gefunden hat? Unweit der Fettiplace-Eisenhütte?«
    »In der Tat, Madam. Matthew Shardlake, Sergeant-at-Law zu London.« Ich verneigte mich tief.
    Mistress West nickte, und ihre Haltung wurde eine Spur weniger herablassend. »Wenigstens habt Ihr eine gewisse gesellschaftliche Stellung.« Sie wies mit gepflegter Hand auf die Schemel. »Ihr dürft Euch setzen, wenn Ihr wollt. Vielleicht bereitet Euch längeres Stehen Unbehagen. Ich lasse mich nicht auf einen Schemel nieder, da ich Stühle gewohnt bin. Aber dies ist ja auch eine ärmliche Stube.«
    Die indirekte Anspielung auf mein Gebrechen erboste mich. Dennoch erkannte ich, dass im Umgang mit dieser Frau maßvolle Worte und eine gewisse Zurückhaltung am ehesten zum Ziel führten. »Ich stehe lieber, danke.«
    Sie

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