Der Pfeil der Rache
dem Teich gelegen; es wird ihn nicht umbringen, noch eine Weile länger zu warten.«
»Mit Verlaub, Sir«, sagte ich, »es handelt sich trotz alledem um die Aufdeckung eines Mordes. Sir Quintin Priddis’ einstiges Urteil, es hätte sich um einen Unfalltod gehandelt, war eindeutig falsch.«
»Genau.« Wilf meldete sich kühn zu Wort. »Das erste Untersuchungsverfahren war nicht gründlich genug, ich wusste es.«
Buttress beugte sich zu dem Alten vor und funkelte ihm ins Gesicht. »Willst du einen der führenden Männer der Region der Unfähigkeit bezichtigen? Hüte deine Zunge, Tattergreis.«
»Der Gevatter ist aufgewühlt«, meinte Seckford beschwichtigend.
Buttress richtete den hasserfüllten Blick auf ihn. »Ich weiß, dass Ihr und dieser alte Narr hier gern einmal ein Bierchen trinkt, Herr Kurat. Und nicht nur eins. Und ich weiß auch, dass Eure Gottesdienste recht papistisch ausfallen. Also reizt mich nicht, sonst mache ich Euch beiden das Leben schwer.«
»Sir«, sagte ich. »Ich muss protestieren. Es ziemt sich nicht, dass Ihr als Amtsperson einen Zeugen unter Druck setzt.«
Buttress’ Miene verfinsterte sich, aber er hatte sich unter Kontrolle. »Ich habe Gevatter Harrydance zur Ordnung gerufen, weil er den früheren Coroner beleidigt hat. Und der Herr Kurat hier ist kein Zeuge. Er war nicht bei der Eisenhütte.«
Seckford sagte in ruhigem Ton: »Ich kann allerdings den Gemütszustand bezeugen, in dem Mistress Fettiplace sich befand, nachdem die Eisenhütte niedergebrannt war, sowie die Tatsache, dass sie von Master Priddis höchstselbst schleunigst fortgeschafft wurde.«
Ich zuckte zusammen, wünschte mir, er hätte die Aufmerksamkeit nicht auf Ellens Verschwinden gelenkt, und sagte milde: »Möglicherweise hat sie einen Mord beobachtet, das könnte ihren Gemütszustand erklären.«
»Und wenn es sich«, fragte Buttress, indem er mich umkreiste, »wenn es sich nicht um Mord, sondern um einen Freitod handelte? Vielleicht hat ja Master Fettiplace aus irgendeinem Grund, den wir nicht kennen, das Feuer selbst gelegt, den Mann umgebracht, ist dann auf den Teich hinausgerudert, hat sich einen Eisenklumpen ans Bein gebunden und sich ertränkt? Dergleichen geschieht; vor ein paar Jahren hat eine alberne Gans in der Gegend sich ein Kind andrehen lassen und sich prompt im Dorfteich ertränkt.«
Ich dachte plötzlich an Michael Calfhill, der sich am Deckenbalken seiner Stube erhängt hatte. Ich sagte: »Dann hätte man doch tags darauf das Boot gefunden, das leer auf dem Teich dahintrieb.«
»Vielleicht blieb es unbemerkt; alle waren doch mit dem Feuer befasst.«
»Warum hätte Master Fettiplace sich umbringen sollen?«, fragte ich.
Buttress zuckte die Schultern. »Was weiß ich? Wir müssen die Zeugen zusammentrommeln. Einige Männer aus der Eisenhütte sind noch am Leben.«
»Wie ich hörte, hatte Ellen Fettiplace den Tag mit einem jungen Mann verbracht, der um sie freite, Philip West.«
Buttress blitzte mich zornig an. »Die Familie West ist sehr wichtig in der Gegend. Jedenfalls tut sie wichtig. Master West ist mittlerweile Offizier bei der königlichen Flotte.«
»Trotz alledem muss auch er befragt werden.« Wenn all diese Menschen zur Anhörung versammelt wurden, würde ans Licht kommen, wie gründlich meine Nachforschungen in dieser Angelegenheit waren. Dennoch war es unerlässlich, sämtliche Zeugen von damals zu finden und ordentlich zu befragen. Und ich würde dabei sein.
»Die Mühlen der Justiz mahlen langsam«, bemerkte Buttress. Er würde alles daransetzen, die Sache hinauszuzögern, dachte ich. Nur warum? Um eine gefälschte Kaufurkunde zu vertuschen?
Er sagte: »Bis der für Sussex zuständige Coroner all diese Menschen versammeln kann, um sie einer Anhörung zu unterziehen, werdet Ihr längst wieder in London sein. Man wird Euch verständigen. Außer die Franzosen landen, und wir stecken hier unten allesamt so tief im Kriegsgetümmel, dass wir gar nichts tun können.«
»Ich werde von unserem Herrn Pfarrer hier auf dem Laufenden gehalten.« Ich warf dem Alten einen vielsagenden Blick zu, und er nickte.
»Ja, Master Shardlake«, sagte Buttress mit schwerer Stimme, »das lässt sich denken.«
* * *
Unser Nachtquartier bezogen wir in der Herberge von Rolfswood. Buttress hatte uns, wie erwartet, keine Gastfreundschaft geboten. Als wir sein Haus verließen, passten Wilfs Söhne uns auf dem Weg ab. Diesmal war ihr Gebaren mir gegenüber freundlich. Schließlich hatte ich ihrem Vater
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