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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Königin Katharina von Aragon verheiratet, glücklich, wie wir glaubten, obschon sie ihm keinen Sohn geschenkt hatte. Wir wussten nicht, dass er schon ein Auge auf Anne Boleyn geworfen hatte.«
    »Ich weiß es noch gut.«
    »Wie gesagt, mein Sohn half, die Jagden des Königs zu arrangieren. Jetzt, heißt es, kann er kaum mehr gehen, aber damals war er unentwegt auf der Jagd. Philip fiel dem König auf, er mochte Jünglinge, die seine Vorliebe für körperliche Ertüchtigung teilten. Bis 1526 war er im äußeren Kreis der lustigen Kumpane des Königs, wurde sogar des Öfteren gebeten, sich beim Würfel- oder Kartenspiel dem König zuzugesellen.« Sie sprach mit Stolz und fügte dann in bedauerndem Ton hinzu: »Und bisweilen diente Philip dem König als Kurier für seine persönlichen Briefe. Er vertraute meinem Sohn voll und ganz. Es waren Briefe an –« Mistress Wests Lippen verengten sich zum schmalen Strich – »an Anne Boleyn.«
    Ich erinnerte mich an die Hinrichtung Anne Boleyns, der ich beiwohnen musste. Ein Befehl von Lord Cromwell. An das Haupt, das vom Hals getrennt in hohem Bogen davonflog, die Stöße von Blut. Ich schloss eine Zeitlang die Augen. Seltsam, dass ich nicht daran gedacht hatte, als ich ihre Tochter Lady Elizabeth sah.
    Mistress West seufzte. »Es ist jetzt nicht mehr wichtig, Katharina von Aragon und Anne Boleyn sind beide lange tot, aber damals war es in der Tat von Belang. 1526 hatte niemand außerhalb des Hofes von Anne Boleyn gehört. Der König hatte auch zuvor schon Buhlschaften, aber Anne Boleyn bestand darauf, dass er sich von Katharina scheiden ließe und sie heirate. Ihr kennt die Geschichte. Sie versprach ihm einen Sohn.« Mistress West lachte bitter. Und schenkte ihm nur Elizabeth, dachte ich und hatte das kleine Mädchen vor Augen, das kühn zu mir aufblickte, während sie mir über Rechtsanwälte Fragen stellte.
    »Nun, 1526 begab der König sich wieder einmal auf eine Jagdreise zu den königlichen Gärten in Sussex. Königin Katharina war bei ihm, Philip ebenso. Anne Boleyn befand sich in ihrem Elternhaus in Kent. Doch der König schrieb ihr regelmäßig, und Philip war einer seiner zuverlässigen Boten. Was diese Briefe enthielten, wie weit die Angelegenheit damals gediehen war, weiß ich nicht, und Philip wusste es ebenso wenig. Aber Königin Katharina machte sich Sorgen –«
    »So früh schon? Das ist mir neu –«
    »Oh, die Königin hatte stets ihre Spitzel.«
    Mistress West schritt jetzt ruhelos in der Stube auf und ab, und ihre Röcke raschelten über den mit Binsen bestreuten Bretterboden.
    »Der Hofstaat weilte in jenem August in Petworth Castle in Sussex, mehr als zwanzig Meilen von hier. Ihr solltet wissen, Master Shardlake, dass mein Sohn, seiner Stellung wegen, viel Zeit in London verbrachte, Rolfswood nur gelegentlich aufsuchen konnte. Es gab oftmals Lücken von mehreren Wochen zwischen seinen Besuchen bei Ellen Fettiplace. Hätte er mehr von ihr gesehen, denke ich jetzt, dann hätte er erkannt, wie wenig sie sich zur Braut eignete.«
    »Ihr mochtet sie nicht.«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete sie mit Nachdruck. »Ihr Vater hatte ihr zu viel Freiheit gewährt, und so verhielt sie sich meinem Sohn gegenüber launisch wie das Wetter. Doch ihre Unverschämtheit schürte noch seine Liebe zu ihr.« Sie stieß ein bitteres Lachen aus. »Genau wie es dem König mit jenem falschen, treulosen Weib Boleyn erging, und Ihr wisst ja, wie es endete.« Sie fuhr traurig fort: Und schon damals war etwas Wildes, Unstetes in Ellens Wesen. Es war nicht gut Kirschen essen mit ihr.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Ich weiß gewisse Dinge.«
    Ich runzelte die Stirn, da mir in den Sinn gekommen war, was Philip West mir über die Brände erzählt hatte, die sie angeblich gelegt hatte.
    »Philip hatte uns in einem Brief eröffnet, er wolle um Ellen Fettiplaces Hand anhalten und habe vom Jagdmeister die Erlaubnis eingeholt, uns einen Besuch abzustatten. Doch als er schon im Begriff war aufzubrechen, verlangte der König nach ihm und gab ihm einen Brief, den er nach seinem Besuch hier in Rolfswood hinüber nach Hever bringen sollte. Ein Brief mit dem Siegel des Königs.«
    »Wusste der König von den Heiratsabsichten Eures Sohnes?«
    »Ja. Deshalb hatte Philip ja die Erlaubnis erhalten, herzukommen.« Mistress West trat vor mich hin. Und ich hätte mir gewünscht, sie würde sich setzen. »Doch auf dem Weg von Petworth hierher, Master Shardlake, war Philip nicht allein.« Ihre Stimme

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