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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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fixierte mich weiter aus ihren scharfen braunen Knopfaugen. Trotz ihrer hochmütigen Art las ich eine gewisse Sorge darin. Sie sprach unvermittelt: »Gestern Abend kam ich nach Rolfswood, um auf den Markt zu gehen. Ich nächtige bei Freunden. Kaum war ich angekommen, als mich ein Brief jenes ungeschliffenen Flegels Humphrey Buttress erreichte. Er ließ mich wissen, dass der tote Master Fettiplace, der, wie wir alle glaubten, vor neunzehn Jahren in seiner Eisenhütte verbrannt war, im Teich gefunden worden sei. Von Euch.«
    »So ist es, Madam.«
    »In seiner Funktion als Dorfrichter, schrieb er mir, sei es unabdingbar – oh, er liebt dieses Wort –, dass ich ihn den Aufenthaltsort meines Sohnes wissen ließe, wegen seiner früheren – Verbindung – mit Mistress Ellen Fettiplace. Nun, das ist ganz einfach beantwortet. Philip befindet sich derzeit in Portsmouth und hält sich bereit, England zu verteidigen. Buttress meinte, Ihr wolltet ihn ins Verhör nehmen lassen.« Sie hielt inne, um Luft zu holen. »Nun, Sir, was habt Ihr dazu zu sagen? Was habt Ihr mit dieser alten Sache zu tun?«
    »Ich sagte es schon Master Buttress«, antwortete ich ruhig. »Ich musste im Auftrag eines Mandanten Erkundigungen über die Familie Fettiplace einziehen. Gestern führte mich der alte Gevatter Harrydance hinaus zur Eisenhütte, wo wir den Leichnam entdeckten. Es tut mir leid, wenn ich Euch Ungemach bereite, aber der Fund im Teich muss untersucht werden. Euer Sohn gehört zu denen, die dazu befragt werden müssen. Ich habe lediglich den Wunsch, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird und die betroffenen Menschen informiert werden.«
    »Warum seid Ihr in Sussex?«
    »Ein Rechtsfall in Hampshire. Ich bin zu Gast bei einem Gutsherrn, einige Meilen nördlich von Portsmouth. Kloster Hoyland. Eine Vormundschaftssache.« Ich hielt es für angeraten, der Dame meine eigentliche Tätigkeit, am Court of Requests, zu verschweigen. Ihr Gesicht entspannte sich ein wenig. Ich sagte: »Master Seckford hat mir berichtet, dass Euer Sohn am Tag der Feuersbrunst nach Rolfswood geritten sei, um bei Master Fettiplace um die Hand seiner Tochter anzuhalten.«
    »Diese Jungfer«, sagte Mistress West bitter. »Sie war nicht standesgemäß, Philip hätte sich niemals mit ihr einlassen dürfen. Sie hat bei dem Brand den Verstand eingebüßt – und wurde fortgebracht. Werdet Ihr selbst die Ermittlungen führen?«, fragte sie unvermittelt.
    »Ich werde anwesend sein, als Finder der Leiche.« Ich schenkte Mistress West einen forschenden Blick. War sie es gewesen, die Ellen damals hatte fortschaffen lassen?
    Plötzlich schien sie zu erschlaffen. »Wir dachten, die Sache wäre ein für alle Mal vorbei, und jetzt – ein Mord, und mein Sohn ins Verhör genommen.«
    »Ich will, dass die Wahrheit ans Licht kommt, Madam. Das ist alles.«
    Sie starrte mich an, lang, hart, und schien dann zu einem Entschluss zu kommen. »Ich muss Euch etwas sagen. Es wird ohnehin herauskommen, und ich möchte es lieber Euch sagen als Buttress. Ihr werdet verstehen, Master Shardlake, dass es in kleinen Orten oft zu Rivalitäten kommt zwischen den Abkömmlingen guter alter Adelshäuser, zu denen ich meine Familie zähle, und Männern wie ihm.«
    »Ich bin ihm begegnet und kann mir vorstellen, dass er – schwierig ist.«
    »Wenn ich Euch etwas erzählte, mit dem sich beweisen ließe, dass mein Sohn sich an jenem Tag nicht mit Mistress Fettiplace traf, brauchte er vielleicht nicht einmal zum Verhör erscheinen.«
    »Schon möglich.«
    »Er würde es nicht zugeben wollen, auch heute noch nicht. Aber ich muss alles tun, ihn zu beschützen. Er hätte es schon bei der ersten Anhörung zugeben sollen. Obwohl wir damals alle an einen Unfall glaubten.« Sie rang die Hände, und ich merkte, dass sie entsetzliche, nahezu panische Angst hatte. Sie sah mich wieder an, fasste sich und fing schnell an zu reden.
    »Vor neunzehn Jahren war mein Sohn zweiundzwanzig. Er war weit gekommen für sein Alter. Zwei Jahre zuvor hatten mein seliger Mann und ich ihm eine Stellung am königlichen Hofe verschafft, wo er für den Jagdmeister Seiner Majestät tätig war. Wir waren sehr froh darüber.« Ein liebevolles Lächeln entspannte kurz ihre Züge. »Ihr hättet Philip damals sehen sollen. Ein feiner, kräftiger Jüngling, unbeschwert und an männlichen Belangen interessiert. Es war das Ende der alten Zeit, Sir, als in England alles ruhig und sicher schien. Der König war seit fast zwanzig Jahren mit

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