Der Pfeil der Rache
London gewesen sein. Dyrick ebenso.«
»Und Dyrick stand im Dienste des Königs. Und Priddis meinte, er sei eine Weile in London gewesen, wollte aber nicht verraten, in welcher Eigenschaft.«
»Sollte er in die Sache verstrickt sein, hätte sein Vater triftige Gründe, die Angelegenheit zu vertuschen.«
Wir merkten auf, als wir das laute Knirschen von Rädern hörten. Zwei große Fuhrwerke rumpelten vorüber, ein jedes von vier ungeduldigen Pferden gezogen und mit Kisten voller eiserner Kanonenkugeln beladen, welche zweifellos in den Eisenhütten des Weald gegossen waren.
»Ich hoffe, es erwarten uns Briefe, wenn wir nach Hoyland zurückkommen«, sagte Barak. »Es wäre an der Zeit.«
* * *
Kein Gärtner war im Garten des Klosters zugange, als wir durch das Tor ritten. Abigails Blumen machten schon jetzt einen verwahrlosten Eindruck. Zu meiner Überraschung stand Hugh allein auf dem Übungsplatz. Er blickte in unsere Richtung, verzog aber keine Miene, sondern bückte sich, um einen neuen Pfeil einzulegen.
Als wir von den Pferden stiegen, kam Fulstowe ums Haus, geschniegelt wie stets und mit frisch gestutztem Bart. Sein Gebaren war eigenmächtiger denn je. Er verneigte sich kurz. Ich fragte ihn, ob ein Brief für uns angekommen sei.
»Nein, Sir. Aber der Coroner ist eingetroffen und verlangt nach Euch.«
»Danke. Könnte ein Knecht die Tiere in den Stall führen?«
»Derzeit ist ein jeder beschäftigt, fürchte ich«, sagte Fulstowe mit dünnem Lächeln. »Und jetzt entschuldigt mich.« Er ging davon.
»Dieser Bursche wird auch immer dreister«, sagte Barak und fügte zornig hinzu: »Verflucht noch eins, ich muss wissen, wie es mit Tamasin steht.«
»Wenn der König in Portchester eingetroffen ist, sind die Straßen morgen freier.«
Er schüttelte zornig den Kopf. »Ich bringe die Pferde in den Stall, da es sonst niemand tut.«
Ich begab mich in den großen Saal und stutzte, da man die prächtigen Teppiche mit den Jagdszenen abgehängt hatte und die Wände nunmehr kahl waren. Da erst gewahrte ich zu meinem Erstaunen den alten Sir Quintin Priddis, der wieder im Sessel neben dem leeren Kamin saß. Er neigte mir die gesunde Gesichtshälfte zu und bedachte mich mit seinem schaurigen, schiefen Grinsen.
»So sieht man sich also wieder, Master Shardlake. Wie ich höre, seid Ihr in Sussex gewesen.«
»So ist es, Sir.«
Seine blauen Augen wurden schmal. »Wart Ihr erfolgreich?«
Ich holte tief Luft. Doch er würde es ohnehin herausfinden. »Ich war in Rolfswood, wo vor Zeiten ein gewisser Master Fettiplace lebte. Im dortigen Mühlteich lag ein Leichnam, mit Eisen beschwert, vermutlich der tote William Fettiplace, der einem Mord zum Opfer fiel. Der Fall wird wieder aufgerollt«, fügte ich hinzu.
Sir Quintins Selbstbeherrschug war bemerkenswert. Sein Blick war scharf, er zuckte mit keiner Wimper. Ich wünschte, Edward wäre ebenfalls hier, damit ich seine Reaktion prüfen konnte. »Soso«, sagte der alte Mann. »Der Tod folgt Euch scheint’s auf Schritt und Tritt, Sir.« Er wechselte das Thema. »Ich hoffe, mein Sohn war Euch eine Hilfe bei der Besichtigung von Master Curteys’ Wald.«
»Gewiss.«
»Und habt Ihr beschlossen, den Unsinn aufzugeben? Gewiss wären diese bedauernswerten Herrschaften doch froh, wenigstens eine Sorge los zu sein.«
»Ich überlege noch. Ich hatte nicht damit gerechnet, Euch erneut hier anzutreffen, Sir Quintin.«
Er lachte wieder sein seltsam rostiges Keckern. »Eine Angelegenheit, die ich hätte in Winchester erledigen sollen, ist abgesagt worden. Ich sollte die Ländereien eines jungen Mündels schätzen, aber der Knabe ist verstorben, der Vormund hat sein Vermögen falsch angelegt. Somit werden wir erst in der kommenden Woche in Winchester erwartet. Ich beschloss also, auf dem Rückweg noch einmal hier haltzumachen, um das Ergebnis der Untersuchung zu Mistress Hobbeys Tod zu erfahren. Und der hiesige Coroner ist ein unfähiger Bursche, dem ich ein wenig Beistand bieten muss.« Er verzog das Gesicht und rückte sich im Stuhl zurecht. Möglicherweise war er zurückgekehrt, um mehr über meine Verbindung mit Rolfswood zu entdecken, fuhr es mir durch den Sinn.
Eine Tür ging auf, und Edward trat ein. Er war wie sein Vater in nüchternes Schwarz gekleidet und begleitet von einem kleinen, verdrießlich dreinblickenden Burschen um die sechzig in Anwaltstracht. Edwards kalte blaue Augen wurden schmal, als er meiner ansichtig wurde. Während ich mich verneigte, fragte ich mich, ob
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