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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Klöster entweihen, verflucht seien. Vielleicht stimmt es ja. Und wenn die Franzosen einfallen, wer weiß, vielleicht brennen sie ja das Haus nieder.«
    »Nicholas –«, ermahnte Dyrick ihn unwirsch.
    »Vielleicht lächelt sie ja aus diesem Grund.« Er sah mich seltsam an. »Was glaubt Ihr, Master Shardlake?«
    »Das ist Aberglaube, Sir.«
    Hobbey antwortete nicht. Ich erkannte, dass er sich gänzlich in sich selbst verkrochen hatte. Dyrick und Fulstowe hatten jetzt das Sagen. Und wenn es nötig war, Ettis an den Galgen zu bringen, um den Widerstand gegen die Einzäunung des Gemeindelands zu brechen, würden sie es tun. Ganz gleich, ob er schuldig war oder nicht.
    * * *
    An diesem Abend durchlitt ich das schwermütigste Nachtmahl aller Zeiten. Hobbey saß eingesunken am Ende des Tisches und stocherte lustlos in seinem Essen herum. Fulstowe stand wachsam hinter ihm und wechselte vielsagende Blicke mit Dyrick. Hugh starrte auf seinen Teller, blind gegen jedermann, auch gegen David, der neben ihm saß. David war ungekämmt, sein Wams voller Flecke, das bleiche Gesicht mit schwarzen Stoppeln bepelzt und die hervorquellenden Augen rotgeweint. Gelegentlich starrte er wild ins Leere, als mühe er sich, aus einem bösen Traum zu erwachen. Hughs äußere Erscheinung hingegen war tadellos wie immer.
    Ich versuchte, Hugh in ein Gespräch zu verwickeln, er jedoch gab nur einsilbige Antworten. Vermutlich war er mir noch immer gram. Ich blickte in die Tafelrunde und sah ausnahmslos Männer. Ob hier jemals wieder eine Frau sitzen würde, fragte ich mich, nachdem das Haus noch vor zehn Jahren ausschließlich Frauen beherbergt hatte. Ich starrte hinauf zum großen Westfenster und erinnerte mich an den ersten Abend hier – an die vielen hundert Nachtfalter, die hereingeflattert waren. Heute Abend waren es nur wenige; was wohl aus ihnen geworden war?
    Wieder warf ich einen Blick auf die kahlen Mauern. Dyrick sagte: »Master Hobbey hat gestern die Teppiche abnehmen lassen. Er kann ihren Anblick nicht mehr ertragen.«
    »Das ist nur zu verständlich.« Hobbey, der neben Dyrick saß, hatte keinerlei Notiz genommen.
    Edward Priddis neben mir sprach leise: »Mein Vater sagt, man habe in Rolfswood eine Entdeckung gemacht. William Fettiplace habe nicht im Feuer sein Leben gelassen, sondern sei im Mühlteich geendet.« Sein Tonfall war wie stets gleichmäßig ruhig.
    »In der Tat. Ich war dort, als jemand den Toten fand.« Der Leichnam sei zum Vorschein gekommen, erzählte ich, nachdem der Damm gebrochen sei. Edwards Vater neben ihm hörte gespannt zu und schenkte Sir Harold keinerlei Aufmerksamkeit, der zum Besten gab, wie an der Küste ein paar Dorfleute, während sie für den Ernstfall eines Franzosenangriffs übten, versehentlich eines der Leuchtfeuer entzündet hatten.
    »Nun, ich gehe davon aus, dass der Coroner von Sussex eine neue Untersuchung einleiten wird?«, fragte Edward.
    »Ach ja, kennt Ihr ihn?«
    »Ich nicht, aber mein Vater.« Edward beugte sich zu ihm hinüber und sagte laut: »Master Shardlake will wissen, ob du den Coroner von Sussex kennst.«
    Priddis nickte. »Samuel Pakenham lässt einen Fall, der so weit zurückliegt, mit Sicherheit liegen. Würde ich auch tun. Er wird sich schon irgendwann damit befassen.«
    »Man wird auch Euch bemühen, Sir«, sagte ich, »da Ihr die erste Untersuchung geführt habt.«
    »Das glaube ich wohl. Aber sie werden nichts Neues finden, nicht nach zwanzig Jahren. Vielleicht hat Fettiplace ja zuerst seinen Arbeiter umgebracht und dann sich selbst. In dieser Familie herrscht die Geisteskrankheit, müsst Ihr wissen: Seine Tochter verlor den Verstand.« Er durchbohrte mich mit seinen stechenden Augen. »Ich weiß noch, dass sie zu Verwandten nach London gebracht wurde. Ich weiß nicht mehr, wie sie hießen. Man vergisst so manches nach zwanzig Jahren, Master Shardlake, wenn man alt ist und verkrüppelt.« Er wandte mir wieder sein gemeines schiefes Grinsen zu.
    Entschlossener denn je, am Ermittlungsverfahren in Sussex teilzunehmen, drehte ich mich wieder Edward zu und rang mir ein entwaffnendes Lächeln ab. Ich sagte: »Man wird auch den jungen Mann befragen wollen, der damals mit Mistress Fettiplace in Verbindung stand. Er heißt Philip West und entstammt der Familie, von der ich sprach.«
    »Ich erinnere mich an den Namen. Vater, war er nicht am Hofe des Königs?«
    »Stimmt.« Sir Quintin nickte. »Seine Mutter war ein stolzes Weib, stolz und aufgeblasen.« Wieder keckerte er. »Sie

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