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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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erzählte jedem, dass ihr Sohn mit dem König auf die Jagd gehe.«
    »Ihr wart nicht bei Hofe als junger Mann?«, fragte ich Edward.
    »Nein, Sir. Ich verbrachte meine Zeit in London, am Gray’s Inn. Mühte mich wie ein Hund, um mir die nötigen Fertigkeiten anzueignen. Mein Vater hat mich gehörig geschliffen.«
    Der Alte versetzte in scharfem Ton: »Studenten der Juristerei müssen schuften wie die Hunde, müssen lernen, wie man schnappt und beißt.« Er stützte sich auf den gesunden Arm, und zu Dyrick gewandt sagte er: »Ihr scheint diese Kunst zu beherrschen, Sir.« Wieder lachte er, und es klang wie das Knarzen alter Türangeln.
    »Ich fasse dies als ein Kompliment auf«, antwortete Dyrick steif.
    »Ei freilich.«
    Es wurde still um den Tisch. Edward und sein Vater warfen mir hin und wieder stechende Blicke zu. Dann sagte Sir Quintin: »Ihr scheint Euch ja sehr für die Angelegenheit in Rolfswood zu ereifern, Sir, da Ihr Euch schon zweimal dorthin begeben habt, um nach Informationen zu graben.«
    »Einer meiner Mandanten versuchte, die Familie Fettiplace aufzuspüren.«
    »Und weil Ihr Euch eingemischt habt, müsst Ihr demnächst von London nach Sussex reiten. Das habt Ihr nun davon. Master Dyrick meinte, diese Einmischerei habe Euch schon einmal Verdruss mit dem König eingebracht, in York.«
    Er lehnte sich zurück, nachdem er diese Spitze gegen mich geschleudert hatte, und Dyrick grinste böse.
    * * *
    Die richterliche Untersuchung zu Abigail Hobbey fand am darauffolgenden Nachmittag im Großen Saal statt. Draußen schien wieder die Sonne, aber der Saal war abgedunkelt und düster. Die lange Tafel war unter das alte Westfenster gerückt worden. Dahinter saß Sir Harold Trevelyan, mit Edward Priddis zu seiner Rechten, welcher offenbar dazu genötigt worden war, Notizen zu machen. Zu seiner Linken saß – entgegen jeder Verfahrensregel – Sir Quintin. Er blickte forschend im Saal umher, den Stock in der gesunden Faust. Die Geschworenen, zwölf Männer aus dem Dorf, saßen auf hölzernen Stühlen, die man entlang der Wand aufgereiht hatte. Ich erkannte einige, die bei der Jagd mitgewirkt hatten. Männer vermutlich, die sich von Fulstowe ohne weiteres in die Tasche stecken ließen.
    Barak und ich, Fulstowe und Sir Luke Corembeck saßen beisammen. Hinter uns standen einige Bedienstete, einschließlich der alten Ursula, und an die zwanzig Leute aus dem Dorf. Auch Ettis’ schönes Weib war darunter, den Leib angespannt und die Miene starr vor Angst und Ärger. An der Art und Weise, wie die Umstehenden ihr mit Worten und Gesten Trost spendeten, sah ich, dass sie Ettis’ Partei im Dorf vertraten. Die Geschworenen, fiel mir auf, musterten sie mit unbehaglichen Blicken.
    In vorderster Reihe saßen Hobbey, David, Hugh und Dyrick. David saß vornübergebeugt, den Kopf in die Hände gestützt, und starrte zu Boden. Er zitterte leicht. Hugh neben ihm saß kerzengerade auf seinem Stuhl. Als er eintrat, hatte ich ihn scharf angesehen, um ihn daran zu erinnern, dass ich sehr wohl wusste, was er zu Abigails Leiche gesagt hatte. Nicholas Hobbey blickte noch immer trostlos drein; er betrachtete die Menschen ringsum mit verwirrtem Staunen.
    Als Letzter kam Ettis. Ich vernahm das Rasseln von Ketten und wechselte einen Blick mit Barak; das Geräusch rief uns beiden den Londoner Kerker ins Gedächtnis. Zwei Männer führten Ettis herein; der stolze, selbstsichere Landmann hatte sich in einen stoppelbärtigen, hohläugigen Burschen verwandelt und wurde rau auf einen Stuhl an der Wand gedrückt. Hinter mir lief ein Raunen durch die Reihen der Dorfleute, und ein, zwei Geschworene sahen verschämt drein.
    »Ruhe!«, rief Sir Harold und ließ einen kleinen Hammer auf den Tisch niederfahren. »Ich will kein Gekreische und Gerede im Saal! Noch ein Laut, und ich lasse die Bänke räumen!«
    Sir Harold rief mich als Erstes; ich sollte schildern, wie wir die Tote gefunden hatten. Nach mir wurde Barak aufgerufen und bestätigte meine Aussage. Sodann fuhr der Coroner mit Fulstowe fort. Der Steward erklärte in kühlen, klaren Worten, dass Ettis jener Partei im Dorf vorstehe, die sich gegen die Einzäunungen zur Wehr setze; er erwähnte die Abneigung des Mannes gegen die Familie Hobbey, vorzüglich gegen Abigail, und seine Geschicklichkeit im Umgang mit Pfeil und Bogen.
    »Ja«, sagte Sir Harold. »Und der einzige Zeuge für Master Ettis’ Unschuld ist sein Knecht, der behauptet, er habe mit ihm zusammen die Schafe gekennzeichnet. Herein

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