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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Unterbrechung. David sprang jählings auf und stieß dabei den Stuhl um. Er deutete auf Hugh. »Du lügst!«, schrie er. »Wir haben eine Schlange am Busen genährt! Du hast unsere Familie schon immer beneidet, weil du nicht bist wie wir, niemals so sein kannst! Mein Vater, er hat meine Mutter geliebt, und ich ebenso. Ich habe sie wirklich geliebt!« Er starrte bang im Saal umher.
    Sir Harold sah besorgt drein. Er flüsterte Sir Quintin etwas zu. Ich erlauschte das Wort »Vertagung«. Sir Quintin schüttelte energisch den Kopf und schlug dann seinen Stock auf den Boden. »Ruhe jetzt! Allesamt!« Er wandte sich mit wütendem Blick an mich. »Euer Verhalten ist eine Schande, Sir. Ihr verwandelt dieses Verfahren in einen Zirkus. Ihr habt keinerlei Beweise vorgelegt. Diese ganze Familie ist verständlicherweise von Trauer überwältigt. Sir Harold, wir wollen fortfahren.«
    Der Coroner starrte im Saal umher und fragte dann mich: »Sergeant Shardlake, habt Ihr eine Ahnung, wer diese schändliche Tat begangen haben könnte?«
    »Nein, Sir. Nur angesichts der Tatsache, dass viele Menschen gewisse – nun ja – Vorbehalte hatten gegen Mistress Hobbey und es an echten Beweisen gegen Master Ettis fehlt, müsste das Urteil eigentlich lauten: ›Mord, Täter unbekannt‹.«
    »Das zu entscheiden obliegt den Geschworenen. Setzt Euch, sonst belange ich Euch wegen Missachtung des Gerichts.«
    Mehr konnte ich nicht tun. Sir Harold rief keine weiteren Zeugen auf. Die Geschworenen wurden hinausgeschickt. Sie kehrten bald mit ihrem Urteil zurück. Mord – etwas anderes kam ja nicht in Frage –, begangen von Leonard Ettis, einem freien Bauern zu Hoyland, der bis zum eigentlichen Verfahren im September im Gefängnis von Winchester einsitzen würde.
    Als man ihn hinausführte, sah Ettis mich flehend an. Ich nickte ihm zu, mit Nachdruck. Vor mir saß stocksteif und kerzengerade Hugh. David neben ihm weinte noch immer leise. Fulstowe kam herüber, ergriff Davids Arm und führte ihn aus dem Saal. Es war mir nicht gelungen, die Ermittlungen auszuweiten, auf Kosten der Familie. Jetzt würde monatelang nichts geschehen. Ich vergrub das Gesicht in den Händen. Der Saal leerte sich langsam. Ich hörte das Klopfen von Sir Quintins Stock, als er durch den Saal schritt. Das Klopfen endete neben mir. Ich blickte auf. Sir Quintin wirkte erschöpft, aber auch triumphierend. Edward stützte ihn. Sir Quintin beugte sich langsam zu mir herunter und sprach leise. »So, Master Shardlake. Nun seht Ihr, was geschieht, wenn sich Menschen bei Gerichtsverhandlungen ungeschickt verhalten.«

kapitel sechsunddreißig
    W ir gingen hinaus an die Sonne. Die Geschworenen strebten im Pulk dem Tor zu, während der Großteil der Dorfleute sich um Ettis’ Frau scharte. Sie war zusammengebrochen und stand schluchzend da. Ich ging hinüber zu ihr.
    »Mistress Ettis«, sagte ich leise.
    Sie blickte auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ihr habt Euch für meinen Mann eingesetzt«, sagte sie leise. »Ich danke Euch.«
    »Ich kann jetzt wenig tun, aber sollte es in Winchester zur Verhandlung kommen, will ich dafür sorgen, dass alles gerecht zugeht, das verspreche ich Euch. Es gibt keinerlei triftigen Beweis gegen ihn«, fügte ich aufmunternd hinzu.
    »Sollen wir wirklich wegen des Waldlands Klage erheben, Sir? Es wäre durchaus im Sinne meines Mannes.«
    Hinter mir standen Dyrick und Fulstowe auf den Stufen und beobachteten uns. Ich sah mich unter den Dorfleuten um; einige wirkten eingeschüchtert, doch die meisten schauten trotzig drein. Ich sagte laut: »Ich halte es für lebenswichtig, dass Ihr Klage erhebt. Ihr dürft Euch von dem, was heute geschehen ist, nicht abhalten lassen. Denn dies war ja wohl der Zweck des Ganzen; ich meine nicht, dass ein Geschworenengericht imstande ist, Master Ettis schuldig zu sprechen. Bestimmt jemanden aus dem Dorf zu Eurem Wortführer, bis er wieder frei ist.« Ich holte tief Luft und fügte hinzu: »Schickt mir die Papiere, ich werde den Fall für Euch durchkämpfen.«
    »Hört auf meinen Herrn«, fügte Barak beifällig hinzu. »Wehrt Euch!«
    Mistress Ettis nickte. Dann wandten alle den Kopf, als ein Reiter heransprengte. Er parierte sein Pferd vor den Stufen, stieg ab und trat an Fulstowe heran. Sie wechselten ein paar Worte, dann ging der Bote ins Haus. Der Steward zögerte, stieg dann aber die Treppe herab und trat auf uns zu. Dyrick blieb, wo er war. Ich musste unweigerlich Fulstowes Mut bewundern; es waren fast

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