Der Pfeil der Rache
mit ihm!«
Ein älterer Landmann wurde hereingerufen. Er erklärte, an dem besagten Tag bei seinem Herrn gewesen zu sein. Sir Harold hieß ihn barsch bestätigen, dass er seit zwanzig Jahren bei Ettis in Stellung sei.
»Ihr habt also guten Grund, Euren Brotherrn zu verteidigen«, sagte er kalt.
Sir Quintin schaltete sich ein. »Wenn er am Galgen endet, fällt sein Eigentum an den Staat, und Ihr sitzt auf der Straße.«
»Ich – ich sage nur die Wahrheit, Herr.«
»Das wollen wir auch hoffen, Bursche. Es gibt Strafen für jene, die ein falsches Zeugnis ablegen.«
»Können wir denn gar nichts tun?«, flüsterte Barak. »Dieser verkrüppelte alte Ziegenbock hat nicht das geringste Recht, jemanden zu befragen.« Ich schüttelte den Kopf.
Sir Harold entließ den alten Knecht. Während er dies tat, blickte Sir Quintin geradewegs auf mich, wobei er die Augenbrauen in die Höhe zog. Er demonstrierte mir seine Macht. Sir Harold schlug mit dem Hammer auf den Tisch, um neuerliches Geraune einzudämmen. Ich wartete, bis es verklungen war, und erhob mich.
»Sir«, sagte ich, »der Gerechtigkeit halber sollte gefragt werden, ob sonst noch jemand ein Motiv gehabt hatte, Abigail zu töten.«
Sir Harold breitete die Arme aus. »Wer könnte noch den Wunsch verspürt haben, die arme Frau zu töten?«
Ich wartete. Was ich gleich sagen würde, wäre entsetzlich für die Familie Hobbey, doch Ettis musste Gerechtigkeit widerfahren. Ich sagte: »Ich bin seit über einer Woche hier, Sir. Ich befürchte, dass fast jeder, mit dem ich sprach, Mistress Hobbey hasste. Master Hobbey hat es selbst zugegeben. Dann ereignete sich – ein Zwischenfall, ihr Hündchen kam gewaltsam zu Tode.«
Wieder wurden im Saal Stimmen laut, und David wandte sich nach mir um und starrte mich entsetzt an. Dyrick und Nicholas Hobbey drehten sich ebenfalls um und sahen mich mit angsterfüllten Augen an. Hugh dagegen richtete den Blick weiterhin nach vorn. Hobbey stand auf, plötzlich wieder mit der Wirklichkeit verbunden. »Es war ein Unfall, Herr Richter.«
Auch Dyrick erhob sich und sagte: »Es gab zudem einen Zwischenfall mit Ettis. Er besaß die Dreistigkeit, ins Haus zu kommen und in Master Hobbeys Studierzimmer einen Streit vom Zaun zu brechen; Mistress Hobbey kam hinzu und maßregelte ihn mit harten Worten. Ich war zugegen und habe alles mit angehört.«
Sir Harold sagte zu mir: »Wollt Ihr etwa andeuten, dass auch ein Mitglied der Familie sie hätte töten können?«
»Ich sage nur, dass es möglich gewesen wäre.« Ich zögerte. »Ich könnte noch mehr sagen.«
Da drehte sich auch Hugh zu mir um, zornesrot im Gesicht. Ich starrte zurück. Zögernd stand er auf. »Darf ich etwas sagen?«, fragte er.
Der Untersuchungsrichter blickte Sir Quintin an. »Das Mündel«, sagte Sir Quintin.
»Nun, junger Mann?«
»Master Shardlake sagt die Wahrheit«, erwiderte Hugh, »niemand mochte die arme Mistress Hobbey. Wenn Ihr Euch unter all jenen umhören würdet, die ihre spitze Zunge zu spüren bekamen, hättet Ihr viele Zeugen.«
»Und Ihr selbst? Habt Ihr sie auch gehasst?«, fragte Sir Harold.
Nach kurzem Zögern sagte Hugh: »In der Tat. Vielleicht hatte ich unrecht …« Die Stimme versagte ihm fast. »Sie war schon seit vielen Jahren seltsam gewesen. Als ich sie tot sah, da sagte ich zwar: ›Das geschieht dir recht.‹ Aber gleichzeitig legte ich ihr eine Blume in den Schoß, denn ihr Anblick war erbärmlich.«
Sir Harold und Sir Quintin starrten einander erschrocken an. »Es geschah ihr recht?«, fragte Sir Harold. »Warum habt ihr das gesagt?«
»Weil ich es so empfunden habe, Sir.«
Sir Quintin sagte in strengem Ton: »Als ich letzte Woche in Portsmouth mit Euch sprach, da gabt Ihr an, Ihr hättet keinen Grund zur Klage.«
»Das ist wahr, Sir, aber ich sagte nicht, dass ich glücklich sei.«
Ein Raunen lief durch den Saal. Dann ein unerwarteter Laut. Nicholas Hobbey war in Tränen ausgebrochen. Er vergrub das Gesicht in seinem Schnupftuch, erhob sich und verließ den Saal. Dyrick wandte sich mit wütendem Gesicht zu mir um. »Da seht Ihr, was Ihr angerichtet habt!«
Ich sah, wie Fulstowe seinen Herrn beobachtete. Zum ersten Mal bemerkte ich einen bangen Ausdruck im berechnenden Gesicht des Stewards. Sah auch er, wie Hobbey selbst und auch die Welt um ihn herum zu bröckeln begannen? Oder hatte seine Sorge andere Gründe? Ettis, in Ketten, hielt den Blick auf Hugh gerichtet, einen Anflug von Hoffnung in den Augen.
Wieder gab es eine
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