Der Pfeil der Rache
Tores. Hobbey stand da, und Dyrick hielt ihn am Arm fest. Er schüttelte Dyrick ab, lief hinüber zu David und kniete sich neben ihn. Er streichelte ihm zärtlich über den dunklen Scheitel, und Tränen liefen ihm die Wangen hinab. Der Junge hob mit Mühe die Hand, und sein Vater ergriff sie. Da wurde auch ich gepackt, Finger gruben sich wie Nägel in meinen Arm, und ich blickte in Dyricks wutentbranntes Gesicht. »Beim Blute Gottes!«, knurrte er. »Was habt Ihr jetzt schon wieder angerichtet?«
»Die Wahrheit ans Licht gebracht«, antwortete ich ruhig. »Dass Emma Curteys in die Rolle ihres verstorbenen Bruders schlüpfen musste. Es ist vorbei, Dyrick.«
»Das wusste ich nicht!«, polterte er. »All die Jahre haben sie mich zum Narren gehalten. Ich wusste nichts, bis –«
»Bis Lamkin zu Tode kam und Ihr wegen Abigails Bemerkung Master Hobbey auf den Zahn fühlen wolltet. Kurz darauf hat auch Feaveryear die Wahrheit erraten.«
Jäher Zorn verzerrte Dyricks scharfe Züge. »Der törichte Bursche hatte sich in Hugh verliebt, weswegen er winselnd Gott um Vergebung anflehte. Er habe Hugh nicht aus den Augen gelassen, erzählte er mir, bis er eines Tages die Wahrheit erkannt habe.«
»Zu diesem Zeitpunkt hättet Ihr den Fall niederlegen müssen.« Ich blickte ihn verächtlich an. »Doch Ihr konntet die Peinlichkeit nicht ertragen, habe ich recht? Konntet nicht ertragen, dass ruchbar würde, wie sehr man Euch zum Besten gehalten hatte.«
»Scheinheiliger Krüppel!«, stieß Dyrick da hervor und warf sich auf mich, prügelte mit knochigen Fäusten auf mich ein, während Hobbey um seinen Sohn weinte. Sogleich fand er sich im Gras wieder. Barak stand über ihm.
»Aufgeblasener Hundsfott!«, schnaubte er. »Und jetzt haltet Euer falsches Maul, sonst verpasse ich Euch die Hiebe, wonach mir seit Wochen die Finger jucken!«
Dyrick lag rotgesichtig und keuchend auf dem Rücken, die Robe ausgebreitet unter ihm. Ich blickte zu Hobbey hinüber, der noch immer neben David kniete. Er hatte sich nicht einmal umgedreht. »Mein armer Junge«, sagte er sanft. »Mein armer Junge.«
* * *
Der Wundarzt traf bald darauf ein. Mit Fulstowes Hilfe trug er David ins Haus, gefolgt von Hobbey und der Dienerschaft. Dyrick begleitete sie. Barak und ich blieben im großen Saal. Ich bat einen der Diener, er möge Dyrick sagen, dass ich ihn baldigst zu sprechen wünschte. Wir setzten uns an den Tisch, schweigend, erschrocken, und warteten.
»Wohin Emma wohl geht?«, fragte Barak.
»Vermutlich nach Portsmouth, zu den Soldaten. Gott steh ihr bei, möglicherweise will sie im Ruhmesglanz zugrunde gehen.«
»Hat sie Abigail getötet?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie hat heute zum ersten Mal die Beherrschung verloren. Nein, das war ein anderer.«
Er sagte: »Hätte ich nicht so laut gesprochen –«
Schritte näherten sich, und wir merkten auf. Fulstowe trat auf uns zu, kalten Hass in den Augen. »Master Hobbey wünscht Euch zu sprechen.«
Ich nickte. »Komm, Barak.« Ich wollte einen Zeugen bei mir haben.
Wir folgten dem Steward in Hobbeys Studierzimmer. Hobbey saß eingefallen an seinem Schreibtisch, das schmale Gesicht grau, und starrte blind auf seine Sanduhr. Dyrick saß an seiner Seite. Fulstowe stand am Fenster und sah zu, als Dyrick zu mir sagte: »Master Hobbey wünscht Euch zu sprechen. Entgegen meinem ausdrücklichen Rat –«
»Euer Rat«, sagte Hobbey leise. »Wohin hat er mich gebracht? Seit jenem ersten Tag, an dem Ihr mir sagtet, die Vormundschaft für die Kinder mache sich bezahlt.« Er sah mich an, seine Augen waren tief in die Höhlen gesunken. »David wird weiterleben. Der Wundarzt hat den Pfeil entfernt. Aber er äußerte den Verdacht, dass Davids Rückgrat verletzt sein könne, da er die Beine nicht richtig bewegen kann. Wir müssen einen Medikus holen lassen.« Die Stimme versagte ihm, dann fuhr er fort: »Mein armer Junge, welch steinigen Pfad muss er meinetwegen in dieser Welt beschreiten. Er scheint über seine Kräfte zu gehen.« Er sah mich an. »Ihr seid nicht meine Nemesis, meine strafende Gerechtigkeit, Master Shardlake. Ich war mir selbst im Wege. Ich selbst habe meine Familie zerstört.« Er schloss die Augen. »Vincent sagt, Ihr wüsstet, was wir getan haben.«
»Ja«, antwortete ich sanft. »Seit heute Morgen.«
»Wir behaupteten, es habe einen Unfall gegeben, Hugh sei aus Furcht davongelaufen. Man scheint uns zu glauben.« Er stockte. »Es sei denn, Ihr behauptet das Gegenteil.«
Ich
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