Der Pfeil der Rache
schwamm, sah ich Dutzende Soldaten vom Heckkastell durch offene oder herausgerissene Luken fallen. Ich sah das Rot von Pygeons schwerer Brigantine, während er, die Augen schreckgeweitet, an mir vorüber in die Tiefe stürzte wie ein Stein, und den plumpen Snodin, der frenetisch mit den Armen ruderte, den Mund im Schrei weit aufgerissen. Die Männer plumpsten ins Meer, dass es hoch aufspritzte, und verschwanden, da das Gewicht ihrer Kleider und Helme sie sofort auf den Grund zog. All diese Männer, allesamt. Und von den vielen hundert, die unter dem Netz und unter Deck gefangen waren, hörte ich ein entsetzliches Geschrei. Dann schlugen die kalten Fluten über meinem Kopf zusammen, und ich dachte, jetzt ist es da, das gefürchtete Ende, ich ertrinke. Und plötzlich war aller Schmerz aus meinem Körper verschwunden.
* * *
Einige Augenblicke extremen, absoluten Entsetzens, dann wurde ich nach oben getragen, und mein Kopf war wieder aus dem Wasser. Ich schnappte panisch nach Luft und schlug wild um mich. Ich war einige Yards weit von der
Mary Rose
weggeschwemmt worden. Das gigantische Schiff war auf die Seite gekippt und sank nun schnell. Ein Teil des Focksegels trieb an der Oberfläche, und Marsstenge und Fockmast ragten nahezu waagerecht über das gischtende Wasser. Winzige braune Gestalten liefen darauf entlang: Ratten. Erstaunlicherweise hatten einige Männer im Mastkorb hoch oben auf dem Großmast überlebt; sie klammerten sich fest und brüllten erbärmlich um Hilfe, wobei die Mastspitze, noch vor kurzem in schwindelnder Höhe, mittlerweile nur noch wenige Fuß über den Wellen schwebte. Die entsetzlichen Schreie der Soldaten und Matrosen in ihrem Gefängnis unter dem Netz waren verstummt. Ich blickte verzweifelt um mich; einige Dutzend Männer strampelten und schrien wie ich im Wasser; einige trieben mit dem Gesicht nach unten in den Wogen. Eine große Luftblase platzte einige Fuß von mir entfernt. Das Schiff sank immer tiefer, unter die Wasseroberfläche.
Ich spürte eine Kraft, die mich wieder nach unten zog. Vielleicht war es das Schiff, das sich in fünfzig Fuß Tiefe auf den Meeresgrund setzte – als mein Kopf untertauchte, sah ich, zwischen vielen hundert Blasen, die vagen Umrisse des Bugkastells. Es schien sich zu bewegen, sich vom Schiffsrumpf zu lösen. Ich schloss die Augen vor Entsetzen und blickte im Geiste in das betrübte Gesicht des Mannes, den ich einst ertränkt hatte.
Dann ließ der Sog mich los. Ich kämpfte mich panisch an die Oberfläche und streckte den Kopf erneut aus dem Wasser, verzweifelt die Luft in mich einsaugend. In einiger Entfernung schoss die
Great Harry
geradewegs auf die französischen Galeeren zu. Nach dem Unglück, das der
Mary Rose
zugestoßen war, würde sie nicht ihre Breitseite darbieten. Eine der Galeeren gab Feuer, welches prompt erwidert wurde von den Kanonen im Bug der
Great Harry
. Rauchschwaden wehten über das Wasser. Ich griff panisch nach einem Gegenstand, der an mir vorübertrieb. Es war ein Langbogen, zu leicht, um mein Gewicht zu tragen. Mir wurde beängstigend kalt, und plötzlich auch schwindelig zumute. Ich spürte, wie ich wieder nach unten gezogen wurde, und erinnerte mich, irgendwo gehört zu haben, dass beim Ertrinken das dritte Versinken auch das letzte war.
Da packte mich jemand am Arm und zerrte mich nach oben. Ich starrte aus geweiteten Augen auf Emma. Sie hielt sich an etwas fest, einer breiten hölzernen Scheibe, abwechselnd mit roten und weißen Rosenblättern bemalt, an der eine kurze Spiere befestigt war. Das Galionsemblem der
Mary Rose
. Ich strampelte darauf zu. Es war nicht schwer genug, um uns beide zu tragen, aber wenn wir mit den Füßen strampelten, konnten wir zumindest die Köpfe über Wasser halten. Die Anstrengung löste den Schmerz in meiner Schulter wieder aus, und wir klapperten vor Kälte mit den Zähnen; lange konnten wir nicht überleben. Noch immer tönten schwache Schreie über das Wasser von den wenigen Überlebenden.
Ich sah, wie die französischen Galeeren ihre Formation auflösten und den Rückzug antraten, wieder auf den Rest der Flotte zuhielten. Sie war jetzt viel näher; ich vermochte einzelne Kriegsschiffe auszumachen. Es waren viele Dutzend, schwarz, gelb und grün bemalt, in langer Linie aufgereiht, jeweils drei Schiffe nebeneinander. Ein Schiff an der Spitze segelte unter der Flagge des Papstes: die Schlüssel des heiligen Petrus. Ich blickte zu Emma hinüber. Ihre Miene war wild, panisch. »Wo sind sie
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