Der Pfeil der Rache
Sohn verheiraten können, wäre ihr Anteil am Waldland des Vaters ihm zugefallen. Aber sie ist gestorben.«
»Es lohnt nach wie vor, ihren Bruder Hugh in der Familie zu haben. Ihm müsste inzwischen Emmas Anteil übertragen worden sein. Hobbey behält die Kontrolle über Hughs Land bis zu dessen einundzwanzigstem Geburtstag. Im Süden ist die Nachfrage nach Holz für den Schiffsbau und die Eisenverhüttung stets sehr groß. Vor allem jetzt im Krieg.«
»Um wie viel Wald handelt es sich denn?«
»Insgesamt sind es an die zwanzig Quadratmeilen. Hobbey selbst besitzt etwa ein Drittel, der Rest gehört Hugh Curteys. Und dem Gesetz nach muss der Wert seines Landes bewahrt werden. Wollte Hobbey einen Teil der Bäume schlagen, müsste er dies erst beim Court of Wards anmelden. Ich will herausfinden, ob er einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Allerdings glaube ich, dass der eine oder andere Vormund unerlaubterweise Bäume schlagen lässt und damit Handel treibt. Für gewöhnlich ist der zuständige Lehensrichter eingeweiht und erhält seinen Anteil. Das gesamte System ist durch und durch korrupt.«
Barak runzelte die Stirn. »Und wie kann man ein Mündel vor alledem bewahren?« Da er selbst aus der Gosse kam, rührte ihn das Elend der Kinder.
»Kaum. Der Vormund ist nur deshalb daran interessiert, sein Mündel am Leben zu erhalten, weil seine Vormundschaft mit dessen Ableben enden würde. Er ist zudem angehalten, das Kind in seiner Obhut erziehen zu lassen. Es steht jedoch mehr oder minder in seinem Belieben, mit wem er es verheiratet.«
»Demnach sitzen die Kinder in der Falle? Sind schutzlos und allein?«
»Das Vormundschaftsgericht behält die Oberaufsicht. Aus diesem Grunde darf man theoretisch Klage führen gegen die Misshandlung schutzbefohlener Mündel, ein Recht, von dem Michael Calfhill Gebrauch machte. In Wirklichkeit jedoch ist eine solche Einmischung nicht erwünscht, denn Vormundschaften sind gewinnbringend. Gleich morgen früh spreche ich im Court of Wards vor. Vermutlich muss ich dem einen oder anderen Urkundsbeamten die Hände schmieren, um sämtliche Papiere einsehen zu dürfen. Und bei dieser Gelegenheit« – Ich holte tief Luft – »bemühe ich mich um eine Abschrift des Dokuments, das Ellen für unzurechnungsfähig erklärt. Das war vor neunzehn Jahren.«
Barak sah mich mit ernster Miene an. »Dieses Weib legt Euch die Daumenschrauben an. Schwäche verleiht manchen Menschen eine seltsame Macht, müsst Ihr wissen. Obendrein ist sie gerissen, wie viele Verrückte.«
»Ihre Familie aufzustöbern, bringt mich vielleicht einen Schritt weiter. Möglicherweise findet sich jemand, der sich um sie kümmert – und mir die Last ein wenig von den Schultern nimmt.«
»Ihr sagtet doch, Ellen sei Gewalt angetan worden. Vielleicht ist ja ein Familienmitglied der Schuldige.«
»Vielleicht auch nicht. Wenn Michaels Klage stattgegeben wird, muss ich vielleicht hinunter nach Portsmouth, um Zeugen zu befragen. Bei dieser Gelegenheit könnte ich einen Abstecher nach Sussex machen.«
Barak runzelte die Stirn. »Portsmouth? Sämtliche Soldaten sind dorthin unterwegs. Es steht zu befürchten, dass die Franzosen dort einfallen.«
»Ich weiß. Die Königin hat mich bereits gewarnt. Heinrichs Kundschafter bestätigen den Verdacht. Aber das Gut der Hobbeys befindet sich einige Meilen weiter nördlich.«
»Ich würde Euch ja begleiten, aber ich kann Tamasin nicht im Stich lassen. Nicht jetzt.«
Ich lächelte. »Das kommt auch gar nicht in Frage. Du kannst mir allerdings bei Michael Calfhills Anhörung helfen.«
»Schon seltsam, dass er sich das Leben nahm. Als er diese Klage eingereicht hat, hätte er doch etwas unternehmen können für den jungen Curteys.«
»Du meinst, man hat ihn beseitigt? Ich habe auch schon daran gedacht. Doch nach Aussage seiner Mutter wusste außer ihr niemand, dass Michael diese Beschwerde vorbringen würde, außerdem will sie seine Handschrift auf der Selbstmordnotiz erkannt haben.« Ich reichte den Fetzen Papier an Barak weiter. Er überflog ihn.
»Merkwürdig. Vielleicht sollte jemand zu dem Haus gehen, in dem Michael wohnte, und ein paar Fragen stellen.«
»Könntest du das morgen für mich übernehmen?«
Barak nickte lächelnd. Pflichten dieser Art erledigte er gern.
»Am besten, du begibst dich auch in die ehemalige Kirche der Familie Curteys, vielleicht ist ja der Geistliche von damals noch dort?«
»Wird als Erstes erledigt.«
»Hier, ich schreibe dir die Adressen
Weitere Kostenlose Bücher