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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Fruchtlosigkeit meines Ansinnens. Neben ihm ordnete der junge Feaveryear Schriftstücke zu einem großen Bündel.
    »Guten Morgen«, grüßte ich, so munter ich konnte, da ich mir vor lauter Sorge um Barak und Ellen die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte.
    Bess maß Dyrick mit angstvollem Blick. »Wo soll die Anhörung stattfinden, Sir?«, fragte sie leise. Dyrick wies mit einer Kopfbewegung auf die Tür zum Gerichtssaal. »Dort, Madam. Doch seid unbesorgt«, fügte er höhnisch hinzu. »Es wird nicht lange dauern.«
    »Nicht doch, Bruder Dyrick«, sagte ich vorwurfsvoll. »Als Anwalt des Beklagten ist es Euch verboten, mit der Klägerin zu sprechen.«
    Dyrick schnaubte verächtlich. »Mit der Vertreterin des
verstorbenen
Klägers, meint Ihr wohl.«
    Barak trat auf Feaveryear zu. »Da habt Ihr Euch einen hübschen Stapel Schreibarbeit mitgebracht!«
    »Größer als der Eure«, versetzte Feaveryear in selbstgerechtem Groll, wobei er auf das viel kleinere Bündel starrte, das Barak bei sich trug.
    »Ach, der meine ist immer so groß wie die Aufgabe, die gerade anfällt. Behauptet jedenfalls meine Frau«, versetzte Barak. Feaveryear zog ein angewidertes Gesicht und deutete mit dem Finger auf Baraks schmales Bündel. »Was soll denn die rote Schleife!« Er schnaubte verächtlich. »Schriftstücke für den Court of Wards müssen mit schwarzem Band zusammengehalten werden.« Er wies auf seine Dokumente.
    Dyrick blickte auf. »Die Schriftstücke der Gegenseite tragen die falsche Schleifenfarbe?« Er starrte mich an. »Am Vormundschaftsgericht wurden Fälle schon wegen geringerer Fehler abgewiesen.«
    »Dann müsst Ihr den Vorsitzenden darauf hinweisen«, entgegnete ich und verfluchte mich innerlich wegen des Schnitzers. Ich hatte in der Eile die Regel missachtet.
    »Das werde ich.« Dyrick setzte ein wölfisches Grinsen auf.
    Die Tür des Verhandlungssaals ging auf, und es erschien der schwarzgewandete Gerichtsdiener, den ich in Myllings Amtsstube gesehen hatte. »Vormundschaft für Hugh Curteys«, rief er aus. Ich hörte, wie Bess die Luft einsog. Dyrick erhob sich mit raschelnder Robe und schritt auf die Tür zu.
    * * *
    Der Gerichtssaal war der kleinste, den ich jemals betreten hatte. Spärliches Licht drang durch schmale Bogenfenster weit oben in einer Nische, die Wände waren kahl. Sir William Paulet, Vorsitzender des Vormundschaftsgerichtes, saß am Kopfende einer langen Tafel, über die ein grünes Tuch gebreitet war; die hölzerne Trennwand hinter ihm war leer bis auf das Königliche Wappen. Neben ihm saß Mylling, den Blick gesenkt. Der Gerichtsdiener geleitete Dyrick und mich an den Tisch, wo wir dem Vorsitzenden gegenüber Platz nahmen. Barak und Feaveryear saßen neben uns. Bess Calfhill und Pfarrer Broughton wurden zu Plätzen gewunken, die durch eine niedrige hölzerne Schranke vom Hohen Gericht getrennt waren.
    Paulet trug den roten Richtertalar und um den Hals eine goldene Amtskette. Er war schon in den Sechzigern, sein Gesicht zerfurcht und altersgrau, die Lippen über dem kurzen weißen Bart schmal. Seine großen, dunkelblauen Augen vermittelten Scharfsinn und Stärke, aber kein Mitgefühl. Ich wusste, er war der Vorsitzende dieses Gerichts seit dessen Gründung vor fünf Jahren. Davor war er Richter im Prozess gegen Sir Thomas More gewesen und ein Kommandant der königlichen Armee gegen die Aufständischen im Norden vor neun Jahren.
    Er schenkte mir zunächst ein dünnes Lächeln. »Sergeant Shardlake. Master Dyrick kenne ich, aber Ihr seid neu hier, wie ich meine.«
    »Jawohl, Herr Richter.«
    Er starrte mich eine Weile stirnrunzelnd an. Vermutlich wurmte ihn die Tatsache, dass die Königin sich in seine Belange mischte. Er wies barsch auf die Papiere vor ihm. »Merkwürdige Andeutungen! Erklärt mir die Angelegenheit, seid so gut.«
    Dyrick erhob sich halb. »Wenn ich auf einen Verfahrensfehler hinweisen dürfte, Herr Richter, die Schriftstücke der Klägerin sind nicht korrekt gebündelt. Die Schleife müsste schwarz sein –«
    »Seid nicht albern, Bruder Dyrick!«, sagte Paulet ruhig. »Setzt Euch.«
    Dyrick errötete, blieb aber stehen. »Und die Papiere, so wie sie sind, wurden sehr spät eingereicht –«
    »Setzt Euch.«
    Dyrick gehorchte stirnrunzelnd. Er hatte gehofft, der Fehler werde mir zumindest einen Rüffel eintragen. Paulet wandte sich an mich: »Nun, Sergeant Shardlake?«
    Ich versuchte, das Beste aus meinem schwachen Fall herauszuholen. Federkiele kratzten, als Barak,

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