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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Entschluss gefasst hatte, meine Nachforschungen bezüglich Ellens Vergangenheit aufzugeben. Ich glaubte nicht an böse Vorzeichen, doch die Sache hatte mich erschüttert bis ins Mark.
    Gegen sechs Uhr machten wir halt. Wie die Abende zuvor war ein Mann aus dem Dorf abgestellt worden, auf uns zu warten, neben ihm ein Stapel Reisig für die Lager der Soldaten. Der Trommler hatte in der vorangegangenen Stunde einen langsamen, gleichmäßigen Marschrhythmus vorgegeben, denn die Männer waren müde. Ich blickte nach vorn zu Leacon, der abgespannt im Sattel saß. Er sprach mit dem Mann am Feldrain, bedeutete Snodin, die Männer auf die Wiese zu führen, und ritt zu uns zurück.
    »Ihr müsst den Abend im Lager verbringen, Gentlemen. Wir befinden uns kurz vor Buriton, der gute Mann meinte, es sei zum Bersten voll mit Reisenden und Fuhrknechten. Kein Platz mehr in der Herberge.«
    »Heißt das, wir müssen auf der Wiese schlafen?«, fragte Dyrick entrüstet.
    »Ihr könnt auch im Straßengraben nächtigen, Sir, wenn Euch das lieber ist«, versetzte Leacon unwirsch. »Aber ich biete Euch einen Platz im Lager.«
    »Wir sollten dankbar sein«, sagte ich.
    »Ich will sehen, ob ich ein Zelt für Euch finde.« Leacon nickte mir zu und ritt davon. Dyrick knurrte. »Mit ein wenig Glück sollten wir morgen früh in Hoyland eintreffen. Dann sind wir die stinkende Meute endlich los!«
    »Ihr wart doch so stolz auf Eure niedere Herkunft, Bruder Dyrick. Nach dieser Reise stinken wir alle gleich.«
    * * *
    Eine Stunde später saß ich im hohen Gras vor unserem Zelt und rieb mir die müden Beine. Zwar hatte man Decken von den Wagen geholt, doch da wir auf der Erde liegen mussten, würde es eine harte Nacht werden. Ich war froh, dass die Reise fast hinter uns lag; der schnelle, stete Marschrhythmus war mir in zunehmendem Maße beschwerlich geworden.
    Ich blickte über das Lager. Die Sonne stand schon tief am Horizont, und die Männer saßen in kleinen Gruppen um die Zelte herum, einige von ihnen damit beschäftigt, die Steppwämser zu flicken. Wieder einmal war ich beeindruckt von der straffen Organisation des Regiments. Am Rande der Wiese schlenderte Dyrick gemächlich mit Sir Franklin, der ein wenig humpelte. Ich hatte schon bemerkt, dass Dyrick jede sich bietende Gelegenheit ergriff, mit ihm zu sprechen; Leacon dagegen übersah er. Es gibt wahrhaft keine entschlosseneren gesellschaftlichen Aufsteiger als diese neuen Männer, dachte ich. Vielleicht hatte diese Eigenschaft ihn zu Nicholas Hobbey hingezogen; gleich und gleich gesellte sich nun einmal gern.
    Leacon schritt von einer Gruppe zur nächsten und unterhielt sich kurz mit den Männern. Im Gegensatz zu Sir Franklin legte er Wert darauf, bei seinen Soldaten zu sein, sich ihre Klagen anzuhören. Snodin hockte allein vor einem Zelt und trank langsam und stetig aus einem großen Humpen Bier. Dabei bedachte er jeden, der es wagte, ihn anzusehen, mit einem finsteren Blick. Am Rande der Wiese saß Barak mit einem Dutzend Soldaten aus den hinteren Reihen an einem Lagerfeuer. Ich beneidete ihn um die Ungezwungenheit, die er im Umgang mit den jungen Burschen an den Tag legte; seit dem Vorfall im Dorf waren die meisten ausgesprochen freundlich, und dennoch bezeigten sie mir gegenüber die vorsichtige Zurückhaltung, wie sie einem Gentleman gebührt. Der Rottmeister Carswell und der Waliser Llewellyn saßen auch in der Gruppe. Die beiden, so unterschiedlich sie waren, hatten offenbar Freundschaft geschlossen: Der junge Llewellyn war ein feiner Bursche, hatte aber wenig Humor, den Carswell wiederum im Überfluss besaß. Aber jeder Spaßmacher braucht seinen Spiegel … Sulyard, der Unruhestifter in seiner grellroten Brigantine, saß auch dabei. Er versetzte seinem Nachbarn eine Kopfnuss und lallte so laut, dass ich ihn bis zu mir herüber hörte:
    »Nenn mich deinen Herrn und Meister!«
    »Verpiss dich, du plumper Trampel!«
    Ich beschloss, mich zu ihnen zu gesellen. Ich behielt Barak noch immer gern im Auge, wenn Alkoholisches im Spiel war, auch wenn er mich eine alte Glucke schalt; überdies hatte ich ein paar Fragen an Llewellyn.
    Als ich die Wiese überquerte, sah ich Feaveryear mit Pygeon vor einem Zelt sitzen. Der arme Bursche, wie weit seine Ohren ihm vom Kopfe abstanden! Feaveryear redete voller Inbrunst auf ihn ein, während Pygeon den Griff seines Messers mit einer Schnitzerei verzierte und sich sein Werk alsdann im schwindenden Licht eingehend besah. Da erhob sich Feaveryear und ging

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