Der Pfeil der Rache
Wir zügelten die Pferde. »George!«, rief ich aus. »Wir verlassen euch hier!«
Leacon und Sir Francis drehten sich zu uns um. Leacon bedeutete dem Trommler, er möge innehalten. Die Kompanie stand still, und Leacon kam angeritten. Er ergriff meine Hand und hielt sie fest. »Alsdann, gehabt Euch wohl.«
»Danke, dass wir euch begleiten durften.«
»O ja«, fügte Dyrick ungewohnt gnädig hinzu. »Wir wären wohl noch zwei Tage länger unterwegs gewesen, hättet ihr nicht den Takt vorgegeben.«
Ich schaute Leacon in die müden, gehetzten Augen. »Es war mir eine Freude, Euch wiederzusehen«, sagte ich aufrichtig.
»Mir ebenso. Nun müssen wir uns sputen, sonst erreichen wir Portsmouth erst spät in der Nacht.« Dyrick rief Sir Francis ein Lebewohl zu und winkte mit der behandschuhten Rechten.
Einige der Soldaten riefen uns Abschiedsgrüße zu. Carswell winkte. Leacon ritt an die Spitze des Zugs zurück.
»Gott behüte euch alle«, rief ich ihnen nach.
Die Trompete erschallte, die Vorratswagen rumpelten an uns vorüber, und die Soldaten marschierten weiter. Als sie um eine Wegbiegung verschwanden, verlor sich das Getrampel ihrer Schritte allmählich. Wir lenkten die Pferde auf den Feldweg.
* * *
Wir ritten zu viert unter den Bäumen dahin. Ringsum war alles still, bis auf das Zwitschern der Vögel kein Laut zu hören. Ich merkte, wie müde ich war, wie verstaubt und übelriechend. Plötzlich endete der Weg vor einer hohen alten Steinmauer. Wir ritten durch ein Tor auf eine breite, von Bäumen bestandene Grasfläche, die auf einer Seite von einem Knotengarten aus Buchs gesäumt war, in dem duftende Sommerblumen blühten. Vor uns erhob sich, was einst eine gedrungene normannische Kirche gewesen war, mit einem breiten Portal und einem Bogendach. Doch nun waren nicht nur zu beiden Seiten des Kirchenportals große eckige Fenster gesetzt worden, sondern auch in die Mauern der einstigen Klostergebäude. Auf dem Dach des Klosters ragten hohe gemauerte Schornsteine auf. Von der Rückseite des Gebäudes vernahm ich Hundegebell; der Hufschlag der Pferde hatte die Tiere aufgeschreckt. Da erschienen drei Männer in der Tür, der Kleidung nach Bedienstete. Sie traten auf uns zu und verneigten sich. Ein älterer Mann mit kurzem blondem Bart folgte ihnen. Er trug ein rotes Wams und eine Kappe, die er vom Kopfe zog, als er Dyrick erkannte.
»Master Dyrick, willkommen in Hoyland.«
»Ich danke dir. Hat dein Herr meinen Brief erhalten?«
»O ja, doch hatten wir nicht so bald mit Eurem Kommen gerechnet.«
Dyrick nickte und wandte sich zu mir um. »Dies ist Fulstowe, Master Hobbeys Steward. Fulstowe, dies hier ist Master Shardlake. Ich habe ihn in meinem Schreiben erwähnt.« Ein beißender Unterton schwang in seinen Worten.
Fulstowe wandte sich mir zu. Er war in den Vierzigern, hatte ein sympathisches Gesicht, eine durchfurchte Stirn und einen kurzen, hellen Bart. Seine Miene war zwar respektvoll, doch bohrten seine Augen sich scharf in die meinen.
»Willkommen, Sir«, sagte er ruhig. »Die Knechte kümmern sich um die Pferde.« Er wandte sich um. »Seht Ihr, Master Hobbey und seine Familie erwarten Euch schon.«
Auf den Stufen standen nun vier Menschen in einer Reihe; ein Mann und eine Frau in mittleren Jahren sowie zwei halbwüchsige Knaben; der eine untersetzt und dunkel, der andere groß, schlank und braunhaarig. Alle vier hielten sich steif bereit, uns zu begrüßen.
teil drei
kloster hoyland
kapitel siebzehn
W ir stiegen von den Pferden. Fulstowe schenkte Feaveryear ein formelles Lächeln. »Seid Ihr wohlauf, Herr Schreiber?«
Jener verneigte sich. »Ja, vielen Dank, Master Fulstowe.«
Fulstowe wandte sich an Barak. »Ihr seid Master Shardlakes Schreiber?«
»In der Tat. Jack Barak.«
»Der Bursche wird Euch die Quartiere weisen. Ich lasse die Satteltaschen Eurer Dienstherren in deren Gemächer bringen.«
Ich nickte Barak zu. Er und Feaveryear folgten dem Burschen, während weitere Knechte die Pferde übernahmen. Dyrick lächelte. »Ihr werdet ihn vermissen, Euren Amanuensis, Master Shardlake. Nun, es ist an der Zeit, dass ich Euch mit unseren Gastgebern und ihrem Mündel bekannt mache.«
Ich folgte ihm zu den Stufen, wo die Vierergruppe unser harrte. Ich sah, dass unweit der Mauer, am hinteren Ende des Gartens, ein Zielhügel errichtet war, ein Erdhaufen mit einem runden Tuch in der Mitte. Dahinter befand sich etwas, das wie ein Friedhof anmutete. Ich folgte Dyrick die Eingangsstufen hinauf.
Nicholas
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