Der Pilot von der Donau
hätte niemand sagen können, durch welche Mittel sich Striga das Geld verschaffte, das er, ohne es zu zählen, ausgab. Da man in dieser Hinsicht nichts sicheres mußte, ließ das Volk darüber seiner Phantasie freien Lauf. Man sagte, daß Striga als Verräter seines Landes und seiner Rasse dem türkischen Unterdrücker als Spion diene, man sagte auch, daß er mit seiner verächtlichen Tätigkeit eines Spions bei Gelegenheit die eines Schmugglers verbinde, und daß durch ihn Waren aller Art oft vom rumänischen nach dem bulgarischen Ufer herüberkämen, oder umgekehrt, für die kein Zoll entrichtet worden sei; man sagte sogar mit Schütteln des Kopfes, daß alles das das wenigste wäre und daß Striga sein Haupteinkommen aus gemeinen Betrügereien und Raubanfällen bezöge, man sagte endlich… doch, was sagte man nicht alles? In Wahrheit wußte keiner etwas Bestimmtes über das Tun und Lassen dieses beunruhigenden Mannes, der, wenn alle Vermutungen der Menge begründet waren, wenigstens die seltene Geschicklichkeit besaß, sich nie in seine Karten sehen zu lassen.
Diese Vermutungen vertraute einer dem andern übrigens nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit an. Niemand hätte gewagt, sie laut auszusprechen gegenüber einem Manne, dessen Rücksichtslosigkeit und Gewalttätigkeit jeder fürchtete. Striga konnte sich deshalb stellen, als ob ihm die Ansichten über ihn ganz unbekannt wären, und der allgemeinen Bewunderung die Hochachtung zuschreiben, die ihm viele aus Feigheit erwiesen; er konnte sich in der Stadt wie in einem eroberten Lande bewegen und sie, im Vereine mit seinen anrüchigsten Genossen, durch seine Skandale und Orgien belästigen.
Es hatte ja nicht den Anschein, daß sich zwischen einem solchen Individuum und Ladko, der ein so ganz andres Leben führte, irgendwelche Beziehungen entwickeln könnten, und tatsächlich kannten sie einander lange Zeit nur soweit, wie einer von dem andern gerüchtweise erfuhr. Logischerweise hätte es immer dabei bleiben müssen. Das Schicksal lächelt aber über das, was wir Logik nennen, und es stand bei ihm geschrieben, daß die beiden Männer einander Auge in Auge gegenüberstehen und die unversöhnlichsten Feinde werden sollten.
Natscha Gregorewitsch, in der ganzen Stadt wegen ihrer Schönheit berühmt, stand im zwanzigsten Lebensjahre. Anfänglich mit ihrer Mutter und später allein, wohnte sie in der Nähe Ladkos, den sie von frühester Kindheit an gekannt hatte. Seit langer Zeit fehlte dem Hause die Hilfe eines Mannes. Fünfzehn Jahre vor dem Beginn dieser Erzählung war der Vater unter den Streichen der Türken gefallen, und die Erinnerung an diesen abscheulichen Mord ließ die unterdrückten, aber nicht bezwungenen Patrioten noch immer vor Abscheu erzittern. Seine Witwe, die nun bloß noch auf sich selbst zählen konnte, hatte sich mutvoll an die Arbeit gemacht. Erfahren in der Kunst des Spitzenklöppelns und der Stickerei, mit deren Erzeugnissen bei den Slawen die bescheidenste Bäuerin ihre wenn auch grobe Tracht zu schmücken liebt, war es ihr gelungen, den Unterhalt für sich und ihre Tochter zu erwerben.
Gerade die Armen haben aber in unruhigen Zeiten oft am schlimmsten zu leiden, und mehr als einmal würde die fleißige Klöpplerin durch die andauernde Gesetzlosigkeit in Bulgarien schwer geschädigt worden sein, wenn Ladko nicht im geheimen für sie eingetreten wäre. Nach und nach entwickelte sich eine größere Vertraulichkeit zwischen dem jungen Manne und den beiden Frauen, die ihm für seine Mußestunden als Junggeselle Unterkunft in ihrem friedlichen Heim boten. Ost klopfte er des Abends an ihre Tür, und dann plauderten sie lange, vereint um den singenden Samowar. Andre Male bot er ihnen für ihre freundliche Aufnahme zur Abwechslung einen Spaziergang oder eine Angelpartie auf der Donau
Als Frau Gregorewitsch, entkräftet von unausgesetzter Arbeit, ihrem Gatten nachfolgte, wandte sich der Schutz Ladkos der hinterlassenen Waise zu. Dieser Schutz wurde allmählich noch aufmerksamer, und… dank ihm hatte das junge Mädchen vom Weggange ihrer armen Mutter, die ihrem Kinde zweimal das Leben gegeben hatte, nicht zu leiden.
So kam es, daß nach und nach und ihnen unbewußt die Liebe im Herzen der beiden jungen Leute erwachte. Erst durch Striga kamen sie dazu, das zu entdecken.
Als dieser die gesehen hatte, die man allgemein »die Rustschuker Schönheit« nannte, erwachte in ihm plötzlich für sie eine Leidenschaft, die ganz seiner zügellosen Natur
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