Der Pilot von der Donau
unterworfen.
Diese Herrschaft wurde in den ersten Monaten des Jahres 1875 noch drückender und quälerischer als gewöhnlich. Unter dem Einflusse einer muselmanischen Reaktion, die im Palast des Sultans die Oberhand bekam, wurden die Christen des Ottomanischen Reichs mit Steuern überlastet, mißhandelt, getötet und in jeder Weise gequält. Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Zu Anfang des Sommers erhob sich die Herzegowina von neuem.
Schnell rückten patriotische Banden ins Feld, die von vorzüglichen Führern, wie Peko Paulowitsch und Luibibratich befehligt, den gegen sie entsendeten regulären Truppen eine Niederlage nach der andern beibrachten.
Bald verbreitete sich der Aufstand und loderte auch in Montenegro, Bosnien und Serbien auf. Eine neue Niederlage, die die türkischen Truppen im Januar 1876 in den Engpässen der Duga erlitten, entflammte den Mut noch weiter, und auch in Bulgarien begann unter dem Volke eine lebhafte Gärung. Wie immer kam es zuerst zu geheimen Verschwörungen, zu gesetzwidrigen Vereinigungen, denen sich die Jugend des Landes im geheimen voller Begeisterung anschloß.
Bei diesen Zusammenkünften erhoben sich bald manche zu Anführern und sicherten sich ihre Autorität über die mehr oder weniger zahlreichen Anhänger der Sache, indem sich die einen durch ihre Beredsamkeit, andre durch ihre hervorragende Einsicht, und noch andre durch ihren glühenden Patriotismus auszeichneten. In kurzer Zeit hatte jede Abteilung und jede Stadt den ihrigen.
In Rustschuk, einer bedeutenden bulgarischen Stadt am Ufer der Donau und fast genau gegenüber der rumänischen Stadt Giurgiewo, wurde das Führeramt ohne jeden Widerspruch dem Lotsen Serge Ladko anvertraut. Eine bessere Wahl hätte man gar nicht treffen können.
Fast dreißig Jahre alt, von hohem Wuchse, blond wie ein Slawe aus dem Norden, von herkulischer Kraft und ungewöhnlicher Geschmeidigkeit und in allen Körperübungen erfahren, vereinigte Serge Ladko alle Eigenschaften in sich, die ihn wie erwählt zum Führer stempelten. Und was noch mehr war, er hatte auch die moralischen Eigenschaften, die ein solcher braucht: die Kraft des Entschlusses, die Klugheit der Ausführung und die leidenschaftliche Liebe zu seinem Heimatlande.
Serge Ladko war aus Rustschuk gebürtig, wo er das Gewerbe eines Donaulotsen betrieb, und er hatte diese Stadt niemals verlassen, außer wenn es ihm oblag, Jollen und Schuten entweder nach Wien und noch weiter stromaufwärts, oder bis zum Gewässer des Schwarzen Meeres zu geleiten, wobei sich alle Schiffer auf seine gründliche Kenntnis des großen Stromes verließen. War er nicht auf einer solchen – halb Strom-, halb See- – Fahrt begriffen, so widmete er sich zur Unterhaltung dem Fischfange, und unterstützt von außerordentlicher natürlicher Begabung, hatte er sich darin eine große Kunstfertigkeit erworben, so daß seine Ausbeute, im Vereine mit den Lotsengebühren, ihm ein recht auskömmliches Leben sicherte.
Durch seine doppelte Beschäftigung genötigt, vier Fünftel seines Lebens auf dem Strome zuzubringen, war das Wasser ganz zu seinem Elemente geworden. Über die bis Rustschuk wie ein Meeresarm breite Donau zu schwimmen, war ihm eine Kleinigkeit, und man zählte gar nicht mehr, wie viele Personen der vortreffliche Schwimmer gerettet hatte.
Eine so ehrbar und offen daliegende Lebensführung hatte Sergo Ladko in Rustschuk schon lange vor den antitürkischen Unruhen höchst populär gemacht. Unzählig waren seine Freunde, die er nicht einmal alle kannte. Man hätte sogar sagen können, daß die Einwohner der Stadt ohne Ausnahme seine Freunde wären, wenn hier nicht auch ein gewisser Iwan Striga gelebt hätte.
Dieser Iwan Striga war ebenfalls ein Landeskind, wie Serge Ladko, von diesem aber das gerade Gegenteil.
Eigentlich hatten beide gar nichts mit einander gemein, und doch hätte etwa ein Paß, der sich mit allgemeinen Bezeichnungen begnügt, für die Beschreibung beider Männer die gleichen Worte gebraucht.
Wie Ladko war auch Striga von großer Gestalt, mit breiten Schultern und hatte blondes Haar und ebensolchen Bart, sowie blaue Augen. Auf diese allgemeinen Merkmale beschränkte sich aber auch die Ähnlichkeit. Während das Gesicht des einen mit edlen Zügen Herzlichkeit und Freimütigkeit ausdrückte, verrieten die des andern offenbar Hinterlist und kalte Grausamkeit.
Moralisch war die Unähnlichkeit noch weit größer. Während Ladko in einer für jedermann durchsichtigen Weise lebte,
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