Der Pilot von der Donau
mißtrauisch, wie jeder gute Polizist, dachte Karl Dragoch darüber nach. Er hatte aber zuviel gefunden Menschenverstand, sich durch flüchtige Einzelheiten irreführen zu lassen, die später vielleicht eine ganz einfache Erklärung fanden. Er prägte seinem Gedächtnis also nur kleine Beobachtungen ein und verwendete seine geistigen Anlagen auf die Lösung des ihm am Herzen liegenden Problems, das ja wichtiger war, als jener unbedeutende Zwischenfall.
Der Plan, den Karl Dragoch verfolgte, als er sich Ilia Brusch als Passagier aufdrängte, war keineswegs in seinem Gehirn entsprungen. Dessen wahrhafter Urheber war vielmehr Michael Michaelowitsch gewesen, der davon freilich nichts ahnte. Als der lustige Serbe scherzweise geäußert hatte, der Preisträger des Donaubundes könnte ja – je nach Belieben – entweder der verfolgte Verbrecher oder der verfolgende Polizist sein, da hatte Dragoch diesen leicht hingeworfenen Worten eine ernste Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich hatte er sie nicht wörtlich genommen. Er wußte ja recht gut, daß der Fischer und der Polizist nichts miteinander gemein hatten, und er betrachtete es deshalb als höchstwahrscheinlich, daß der Fischer auch nicht mehr Beziehung zu dem Verbrecher haben werde. Daraus aber, daß eine Tat nicht begangen worden ist, folgt ja nicht, daß dies nicht noch geschehen könnte, und Karl Dragoch dachte sogleich, daß der lustige Serbe damit recht haben könne, daß ein Detektiv, der die Donau zu überwachen wünschte, nichts besseres tun könnte, als sich als Fischer zu verkleiden, damit niemand in ihm seinen wahren Beruf vermutete.
So verlockend diese Kombination auch erschien, mußte er sie doch außer acht lassen. Der Wettstreit von Sigmaringen hatte stattgefunden, und Ilia Brusch, der Sieger im Turnier, hatte öffentlich seine Absicht angekündigt, und gewiß würde er nicht zu haben sein, dabei einen andern an seine Stelle treten zu lassen. Übrigens wäre das auch ein sehr gewagter Personenwechsel gewesen, da die Züge des Preisträgers viel zu vielen seiner Kollegen bekannt waren.
Wenn er sich aber nun sagen mußte, daß Ilia Brusch nicht zustimmen würde, die angekündigte Reise unter seinem Namen von einem andern unternehmen zu lassen, konnte er seinen Zweck doch vielleicht auf Umwegen erreichen. Bei der Unmöglichkeit, selbst als Ilia Brusch aufzutreten, konnte sich Karl Dragoch ja damit begnügen, diesen auf der Fahrt in seinem Boote zu begleiten. Wer würde da auf den Begleiter eines Mannes achten, der fast berühmt geworden war und der folglich das öffentliche Interesse auf sich konzentrierte? Und selbst wenn einer einen flüchtigen Blick auf den unbekannten Begleiter warf, würde er doch niemals auf den Gedanken kommen, in diesem den Polizisten zu sehen, der hier im Schutze eines Inkognitos seinen Auftrag erledigte.
Nach langer Prüfung dieses Planes erschien er Karl Dragoch ganz vortrefflich, so daß er beschloß, ihn auszuführen. Der Leser weiß, wie ungemein geschickt er die erste Szene beim Zusammentreffen zu gestalten wußte, dieser wären, wenn nötig, aber auch noch andre ähnliche gefolgt. Wenn es nicht anders ging, wäre Ilia Brusch dem Polizeikommissar zugeführt, sogar unter irgendwelchem Vorwande in Hast genommen und auf hunderterlei Weise in Angst gesetzt worden. Karl Dragoch hätte jedenfalls ohne Gewissensbisse ganz nach Willkür gehandelt, bis der erschreckte Fischer in dem erst abgewiesenen Passagier nichts andres als seinen Retter aus der Not erblickt hätte.
Der Detektiv schätzte sich jetzt aber immerhin glücklich, ohne moralischen Zwang gesiegt zu haben und diese Komödie nur bis zum ersten Akte haben spielen zu brauchen.
Jetzt saß er an dem gewünschten Platze, überzeugt, daß sein Wirt, wenn er diesen Platz verlassen wollte, dem ebenso bestimmt, wie früher seiner Aufnahme in das Boot, widersprochen haben würde. Nun galt es, die günstige Lage auszunützen.
Dazu brauchte sich Karl Dragoch ja nur von der Strömung mit hinabtragen zu lassen. Während sein Begleiter angelte oder ruderte, konnte er den Strom im Auge behalten, wo seinem geübten Blicke nichts Auffallendes entgehen würde. Unterwegs aber konnte er sich mit seinen längs der Ufer verstreuten Untergebenen besprechen. Auf die erste Meldung einer Untat oder eines Verbrechens wollte er sich von Ilia Brusch trennen, um den Übeltätern nachzuspüren, und dasselbe beabsichtigte er auch, wenn ein verdächtiges Vorkommnis, ohne daß es noch zur Ausführung
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