Der Pilot von der Donau
wieder in Ordnung zu bringen.
– Na, wie Sie denken, Herr Brusch. Ich werde Ihre Gleichgültigkeit aber nicht nachahmen und voraussichtlich bis zum Abend in der Stadt bleiben.
– Das begreife ich, Herr Jäger, erklärte Ilia Brusch, da Sie ja in Wien wohnhaft sind. Vielleicht haben Sie hier auch Familie, die sich freuen wird, Sie wiederzusehen.
– Da täuschen Sie sich, Herr Brusch; ich bin nicht verheiratet.
– Schlimm genug, Herr Jäger, schlimm genug! Auch zwei sind nicht zuviel, die Last des Lebens zu tragen.«
Karl Dragoch mußte ein wenig lachen.
»Was zum Henker, Herr Brusch, Sie sind heute nicht bei rosiger Laune!
– Ja, man hat so seine Tage, Herr Jäger, erwiderte der Fischer. Das soll Sie aber ja nicht verhindern, sich so gut wie möglich zu amüsieren.
– Ich will’s wenigstens versuchen, Herr Brusch«, antwortete Karl Dragoch im Fortgehen.
Quer durch den Prater begab er sich nach der Hauptallee, die in der Saison den Treffpunkt der eleganten Wienerinnen bildet. Zur jetzigen Jahreszeit und zu dieser Stunde war die Hauptallee aber verhältnismäßig leer, und er konnte eilig dahinschreiten, ohne von einer Menschenmenge aufgehalten zu werden.
Immerhin waren noch genug Besucher hier, daß ihm zwei Spaziergänger, die er gleichzeitig mit andern kreuzte, nicht besonders auffielen, als er auf die Höhe des – künstlichen – Konstantinhügels gelangt war, mit dem man die Perspektive des Praters unterbrechen zu sollen geglaubt hat. Ohne sich um die beiden Männer zu kümmern, setzte Karl Dragoch seinen Weg ruhig fort und betrat nach zehn Minuten ein kleines Café am sogenannten Praterstern. Hier wurde er erwartet. Ein schon an einem Tischchen sitzender Gast erhob sich, als er ihn erblickte, und ging ihm entgegen.
»Guten Tag, Uhlmann, grüßte Karl Dragoch.
– Guten Tag, Herr Dragoch, antwortete Friedrich Uhlmann.
– Nun, noch immer nichts neues?
– Noch immer nichts.
– Das ist gut. Diesmal haben wir einen ganzen Tag vor uns und können reiflich überlegen, was nun zu tun ist.«
Während Karl Dragoch die beiden Spaziergänger in der Hauptallee nicht bemerkt hatte, hatten ihn diese – dieselben Individuen, die durch Zufall gestern vor die Jolle Ilia Bruschs gekommen waren – im Gegenteil sehr genau gesehen. Mit einer gleichzeitigen Bewegung hatten sie sich, als der Chef der Donaupolizei vorbei war, umgesehen und waren ihm, um jedes Aufsehen zu vermeiden, in genügender Entfernung gefolgt. Nach Dragochs Verschwinden in dem kleinen Café hatten sie sich in ein ähnliches, diesem gegenüber an der andern Seite des Sterns gelegenes Etablissement begeben, entschlossen, hier, wenn nötig, den ganzen Tag im Hinterhalte auszuharren.
Ihre Geduld wurde hart auf die Probe gestellt. Nachdem sie mehrere Stunden der Besprechung über ihr nächstes Tun und Lassen gewidmet hatten, setzten sich Dragoch und Uhlmann gemütlich zu einer Mahlzeit nieder und ließen sich, um der erstickenden Luft des Raumes zu entgehen, im Freien noch eine Tasse Kaffee bringen, die ja einmal zur Vervollständigung eines Essens unentbehrlich geworden ist. Schon waren sie dabei, sich daran zu laben, als sich auf Dragochs Gesicht plötzlich ein lebhaftes Erstaunen malte. Als wäre es ihm wichtig, unerkannt zu bleiben, eilte er ins Innere des Restaurants zurück, wo er durch die Vorhänge eines Fensters einen Mann beobachtete, der eben über den Platz ging.
»Gott verzeihe mir… er ist es!« murmelte Dragoch, indem er Ilia Brusch mit den Augen folgte.
Wirklich war es Ilia Brusch, leicht erkennbar an seinem glattrasierten Gesicht, seiner Brille und an den schwarzen, denen eines Süditalieners ähnlichen Haaren. Als dieser in die Kaiser Josefstraße eingetreten war, kam Dragoch wieder zu dem noch auf der Terrasse sitzenden Uhlmann heraus, befahl diesem, solange wie nötig hier zu warten, und machte sich dann zur Verfolgung des Fischers auf.
Ilia Brusch ging, ohne sich umzusehen, mit der Ruhe eines friedlichen Gewissens seines Weges dahin. Gemächlichen Schrittes wanderte er bis zum Ende der Kaiser Josefstraße, dann in gerader Linie durch die Anlagen des Augartens und gelangte von hier zur Brigittenau. Einige Augenblicke schien er zu zögern, trat aber schließlich in einen ziemlich unsauber aussehenden Trödlerladen, dessen magres Schaufenster nach einer der elendesten Straßen dieses Arbeiterviertels hinauslag.
Eine halbe Stunde später kam er, immer ohne es zu ahnen, von Dragoch verfolgt, der es im Vorübergehen aber
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