Der Pilot von der Donau
nach dem Praterstern zu entfernten, Pläne schmiedeten, deren Durchführung nicht viel voneinander abwich, begab sich Karl Dragoch wieder in die Jolle, ohne etwas von der Spionage zu ahnen, deren Gegenstand er im Laufe des Tages gewesen war. Hier fand er Ilia Brusch, eifrig mit der Herrichtung des Abendessens beschäftigt, das beide eine Stunde später und gewohnheitsgemäß rittlings auf einer der Bänke sitzend, gemeinschaftlich verzehrten.
»Nun, Herr Jäger, sind Sie mit Ihrem Spaziergange zufrieden? erkundigte sich Ilia Brusch, als aus den Pfeifen wieder die duftenden Wolken aufwirbelten.
– Über alle Erwartung, antwortete Karl Dragoch. Und Sie, Herr Brusch, haben Sie Ihren Vorsatz nicht geändert und haben Sie sich nicht entschlossen, die Stadt Wien ein wenig zu durchstreifen? Vielleicht, um hier den oder jenen Besuch abzustatten?
– Ich bitte Sie, nein, Herr Jäger, versicherte Ilia Brusch. Ich kenne hier ja keine Seele. Seit Sie fortgegangen waren, hab’ ich keinen Fuß auf den Erdboden gesetzt.
– Das ist stark!
– Es ist aber so. Ich habe meine Jolle nicht verlassen, wo ich ja bis zum Abend gerade Arbeit genug hatte.«
Karl Dragoch erwiderte nichts. Die Gedanken, die die offenbare Lüge seines Wirtes in ihm erweckten, behielt er für sich, und beide sprachen noch von dem und jenem, bis die Stunde zum Schlafen herankam.
Achtes Kapitel.
Ein Frauenbildnis.
Ob sich Ilia Brusch nun einer vorsätzlichen Lüge schuldig gemacht oder nur aus seltsamer Laune die Wahrheit verschwiegen hatte, das stand ja noch dahin, jedenfalls waren seine Äußerungen über die Gründe zu dieser Reise offenbar unrichtig gewesen.
Am Morgen des 26. August, zwei Stunden vor Sonnenaufgang abgefahren, hielt er, seiner Ankündigung zuwider, in Preßburg doch nicht an. Zwanzig Stunden eifrigen Ruderns brachten ihn in ununterbrochener Fahrt bis fünfzehn Kilometer jenseits dieser Stadt, und er begann nach wenigen Stunden der Ruhe mit dieser übermäßigen Anstrengung von neuem.
Warum er sich mit so fieberhafter Hast bemühte, seine Reise so zu beschleunigen, darüber Jäger aufzuklären, hielt sich Ilia Brusch nicht für verpflichtet, obgleich die Interessen seines Gastes dadurch stark gefährdet wurden, und dieser selbst, treu seiner ursprünglichen Zusage, durch kein Zeichen die Enttäuschung verriet, die ihm eine solche Eile bereiten mußte.
Die Vermutungen Karl Dragochs lenkten übrigens die Aufmerksamkeit Jägers von solchen Erwägungen ab. Der kleine Schaden, der dem Zweiten vielleicht drohte, verlor ja gänzlich seine Bedeutung gegenüber den Besorgnissen des Ersten.
An diesem Morgen des 26. August hatte Karl Dragoch auch noch eine höchst merkwürdige Wahrnehmung gemacht, die, in Verbindung mit denen der früheren Tage gesetzt, anfing, ihn ernstlich zu beunruhigen.
»Der Posten wird im Notfalle den andern davon benachrichtigen…« (S. 93.)
Es war gegen zehn Uhr des Vormittags. Tief in Gedanken versunken, sah Dragoch eben mehr maschinenmäßig Ilia Brusch zu, der mit der Hartnäckigkeit eines Arbeitstiers, auf dem Hinterteile der Jolle stehend, dahinruderte. Infolge des gewundenen Verlaufs des Flußbettes mußte dieser das Boot kurze Zeit nach Nordwesten steuern, wobei der Fischer die Sonne gerade im Rücken hatte. Dieser war jetzt barhäuptig, denn buchstäblich von Schweiß triefend, hatte er die gewöhnlich getragene Otterfellmütze abgeworfen, und das Sonnenlicht fiel voll auf sein dichtes, schwarzes Haar.
Ansicht von Preßburg.
Da fiel Karl Dragoch plötzlich eine höchst merkwürdige Eigentümlichkeit ins Auge. Wenn Ilia Brusch brünett war, und das sah man ja deutlich, so… war er das wenigstens nur teilweise. Seine im äußern Teile schwarzen Haare sahen nahe der Kopfhaut etwa vier Millimeter lang unleugbar blond aus.
Konnte dieser Farbenunterschied wohl ein natürlicher sein?… Vielleicht. Weit wahrscheinlicher war es aber doch, daß er die Folge einer ganz gewöhnlichen, nur nicht zeitig genug wiederholten Färbung wäre.
Hatte Karl Dragoch über die merkwürdige Erscheinung ja noch einen Zweifel gehabt, so mußte der doch bald schwinden, da die Haare Bruschs am nächsten Morgen die zweifache Farbe nicht mehr zeigten. Der Fischer hatte jedenfalls seine Nachlässigkeit bemerkt und sie in der Nacht wieder gut gemacht.
Diese Augen, die der Mann so sorgfältig hinter undurchsichtigen Gläsern verbarg, die offenbare Lüge während des Aufenthaltes in Wien, die unbegreifliche und dem
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