Der Pilot von der Donau
angeblichen Zweck der Reise so wenig angepaßte Eile, die blonden, zu schwarzen verwandelten Haare, alles das bildete eine solche Menge von Verdachtsmomenten, daß man notwendig daraus schließen mußte… Doch ja, was mußte man denn daraus schließen? Karl Dragoch wußte im Grunde eigentlich nichts. Daß das Verhalten Ilia Bruschs verdächtig war, das lag ja auf der Hand; doch welche Schlüsse konnte man daraus ableiten?
Dem Karl Dragoch drängte sich jetzt aber doch eine anfänglich hundertmal verworfene Vermutung auf und zwang ihn, über die seinem Scharfsinn gestellte Aufgabe noch mehr nachzudenken. Diese Vermutung war dieselbe, die ihm schon zweimal durch Zufall eingeflößt worden war. Hatten nicht zuerst der lustige Serbe, Michael Michaelowitsch, und dann die Tischgäste des Regensburger Hotels halb im Scherz und halb im Ernste den Gedanken hingeworfen, daß sich unter der Verkleidung des Preisträgers der Anführer der Bande verberge, die weite Landesgebiete in Schrecken setzte? Lohnte sichs aber wirklich, eine Vermutung eingehend zu prüfen, der die, die sie ausgesprochen hatten, offenbar selbst nicht den mindesten Glauben schenkten?
Ja warum denn nicht? Die beobachteten Tatsachen verbürgten freilich noch keine Gewißheit, sie verstärkten aber doch alle Verdachtsgründe. Und wenn spätere Beobachtungen ihnen nicht widersprechen sollten, wäre es wirklich ein lustiges Abenteuer, daß dasselbe Fahrzeug den Anführer der Raubgesellen und den Polizisten, der ihn verhaften sollte, so viele Kilometer weit gleichzeitig getragen hätte.
Von dieser Seite betrachtet, verwandelte sich das Drama fast zur Posse; Karl Dragoch sträubte sich jedoch, die Möglichkeit eines so merkwürdigen Zusammentreffens zuzugestehen. Der technische Aufbau einer Posse besteht aber nicht allein in der Konzentration von Verwechslungen und Überraschungen an ein und demselben Orte, von Vorgängen, die man im wirklichen Leben nicht beobachtet oder die hier doch infolge ihres Auseinanderliegens oder sozusagen, ihrer Verdünnung, weniger erheiternd wirken. Immerhin wäre es unverständig, eine Tatsache von vornherein deshalb abzuleugnen, weil sie einem abnorm und unwahrscheinlich vorkommt. Man muß da bescheiden sein und darf den unendlichen Reichtum der Spiele des Zufalls nicht außer Acht lassen. Unter der Herrschaft dieser Verdachtsgründe brachte Karl Dragoch am Morgen des 28. nach einer in öder Umgebung einige Kilometer stromabwärts von Komorn verbrachten Nacht das Gespräch auf ein Thema, das bisher noch nicht angeschnitten worden war.
»Guten Morgen, Herr Brusch begann er beim Heraustreten aus der Koje, wo er sich seinen Angriffsplan in Ruhe hatte zurechtlegen können.
– Guten Morgen, Herr Jäger, erwiderte der Fischer, während er mit gewohnter Anstrengung weiterruderte.
– Haben Sie gut geschlafen, Herr Brusch?
– Ganz vortrefflich. Und Sie, Herr Jäger?
– Eh… doch nur so halb und halb.
– Wie, rief Ilia Brusch, warum haben Sie mich aber nicht geweckt, wenn Ihnen etwas fehlte?
– O, gesundheitlich hat mir nichts gefehlt, Herr Brusch, versicherte Jäger. Das hindert aber doch nicht, daß mir die Nacht etwas lang geworden ist. Ich bin, offen gestanden, froh, daß sie vorüber ist.
– Warum denn aber?
– Weil ich – ich kann’s ja jetzt gestehen – etwas unruhig war.
– Unruhig? wiederholte Ilia Brusch deutlich verwunderten Tones.
– Es ist auch nicht das erste Mal, daß ich so unruhig war, erklärte Jäger. Ich habe mich nie so recht sicher gefühlt, wenn es Ihnen beliebte, die Nacht fern von jeder Stadt oder jedem Dorfe zuzubringen.
– Bah! platzte Ilia Brusch wie aus den Wolken gefallen heraus. Das hätten Sie mir nur zu sagen brauchen, da würde ich mich anders eingerichtet haben.
– Sie vergessen, daß ich mich verpflichtet habe, Ihnen unbeschränkte Freiheit in Ihren Handlungen zu lassen. Ein Mann, ein Wort, Herr Brusch! Das hindert aber doch nicht, daß ich mich zuweilen recht unsicher gefühlt habe. Bedenken Sie, ich bin Großstädter und empfinde die Stille und Einsamkeit des offnen Landes bedrückend.
– Das ist eine Sache der Gewohnheit, Herr Jäger, erwiderte Ilia Brusch heiter. Sie würden darunter gar nichts mehr finden, wenn unsre Reise länger wäre. Tatsächlich droht einem auf freiem Lande weit weniger Gefahr, als im Herzen einer großen Stadt, wo es an Einbrechern und Mördern niemals fehlt.
– Sie haben vielleicht recht, Herr Brusch, gab Jäger zu, Empfindungen lassen sich
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